Neuer Koch am Platz
Im Restaurant am Steinplatz sorgt Nicholas Hahn für neuen Schwung und zeigt dabei seine ganz eigene Handschrift
Nicholas Hahn ist ein großartiger Koch. Er zeigt das gesamte Spektrum seiner Kochkunst. Vielleicht am Anfang zu viel. So haben aber auch andere renommierte und prämierte Kollegen losgelegt. Wenn bei einem Fünf-Gänge-Menü das Gefühl aufkommt, dass es eigentlich von den Komponenten, Aromen und Texturen her ein Zehn-Gänge-Menü hätte sein können? Das kann an der Startphase liegen, verspricht aber eine erfolgreiche Entwicklung. Denn Hahn ist auch mit dem Gast in Kommunikation. Er kommt ganz selbstverständlich an den Tisch und ist den Eindrücken der Gäste aufgeschlossen. Eines hat der Mann, dessen letzte Station die Dresdner Villa Sorgenfrei war, erfreulicherweise überhaupt nicht: den Drang zur Polarisierung und zur regionalen Zwangsernährung.
Dass er lange mit Sternekoch Matthias Diether, ehemals First Floor im Palace, zusammengearbeitet hat, ist beim Amuse bouche, bei den weißen Tomaten-Marshmallow erkennbar. Rote-Bete-Macarons, Röllchen aus getrocknetem Selleriepapier und gebackene Türmchen aus Gruyer machen schon mal den ersten Eindruck.
Danach stellt der Service die Gartengurke mit Kartoffeln und Dill auf den Tisch – und es wird Sauce angegossen. Es ist eine würzige Kombination, die ein wenig diffus stimmt. Die Radieschen sind farblich schön, auch die gelben Tupfen, die Dillcreme ist etwas bitter – aber unbedingt nötig? Der überzeugendste Gang an diesem Abend ist der geräucherte Aal mit Senfkörnern, das Ganze aufgegossen mit Rotkohljus.
Beim Hühnerflügel mit Miesmuscheln und Mairübchen wird nicht angegossen, dafür versteckten sich die knusprigen Hühnerteile unter einem Salatsprössling und Rübchenscheiben. Die Miesmuscheln sind übrigens in einem Klacks Dip verarbeitet. Die Regenbogenforelle war butterweich und auf den Punkt gegart, mit einem Drumherum an Kohl in verschiedenen Texturen. Bei der Schweinebacke könnte man eventuell die Konzentration verlieren, ob der Vielfalt der Aromen und Texturen auf einem Teller. Alles wohldurchdacht und komponiert – nur ein bisschen zu viel.
Beim Dessert werden die Gäste mit einem Extra bedacht, mit einer Komposition ganz in weiß. Erst danach geht es an das auf der Speisekarte annoncierte Dessert, der Apfel, die Quitte, die Kartoffel und die Petersilie. Eine tupfenreiche Variante, die durchaus ihren Reiz durch die Gemüsekomponenten hat.
Wie schon gesagt: Der Mann ist eine Bereicherung der Berliner Kochszene. Und es bleibt spannend, was Nicholas Hahn in den nächsten Wochen an Kompositionen zusammenstellt. (emh)
Restaurant am Steinplatz
im Hotel am Steinplatz, Steinplatz 4, Charlottenburg,
Vier-Gänge-Menü 59 €, Fünf-Gänge-Menü 69 €