Fotos: Selina Schrader / HiPi Aufmacher Rio Grande
Rio Grande

Wenn alles zusammenpasst

Im Rio Grande treffen kulinarische Zuverlässigkeit, Ausdauer und Kreativität aufeinander

Die Veränderung ist ihm schon äußerlich anzumerken. Tilo Roth, vorher Gasthaus am Ufer, kocht nun seit mehr als sechs Wochen im Rio Grande. Und was er da zurzeit anstellt, ist an der Karte, im Speziellen der Abendkarte, deutlich abzulesen.

Wer keine besonderen Vorlieben pflegt, der kann sich auf den Menü-Vorschlag von Roth verlassen. Als Gast hat man aber selbst­verständlich Mitsprache­recht. Ein guter Rat gleich zu Beginn: Sowohl Koch als auch Restaurant-Chefin Edith Berlinger sind großherzige Gastgeber. Wer mehr als drei Gänge bestellt, sollte sich nach der Portionsgröße der einzelnen Gänge erkundigen.

Es geht hier am Ufer der Spree um gutes Essen, um gute Weine, aber vorrangig darum, dass die Gäste den Abend genießen können. Ein bisschen lustig haben wir uns über drei Tupfen bei einem der Hauptgänge gemacht. Aber das sind nur winzige Zitate einer strengen Gourmet-Küche, die weltweit damit ihr Standing tupft. Im Rio Grande jedenfalls ruft keiner nach Pinzette, Pipette und einer Philosophie, die die Küchenwelt revolutionieren will.

Rio Grande

Als Amuse dient eine Steinpilz­terrinne in Form einer Praline. Auf einem runden Pumpernickel sitzt die cremige aromatische Schicht, darauf Walnusskrümel. Das Lachstatar (label rouge) sitzt auf einem eindrucksvollen Streifen – nein, es ist nicht ein gewagter Pinselstrich aus dem Saucentopf. Es sind drei hauchdünne Gurkenscheiben, dazu kommt noch die süße Fruchtigkeit der Papaya. Es geht weiter mit einem Millefeuille aus Topfen und Blätterteig, da sind Pfifferlinge dabei, Spitzkohl auf einem Selleriepürree, und der Crisp kommt von getrockneten Marillen. Die verschiedenen Texturen sind gekonnt ausgespielt. Und eigentlich ist der Gast schon ganz zufrieden. Jetzt aber geht es zu den Hauptgängen: der Bachsaibling (wird durch Seeteufel und Muschel ausgetauscht) sitzt auf einem Blumenkohlpüree, dazu Pommes Risolée und Kaiserschoten. Das Hirschkalb gibt es geschmort und gebraten, dazu Rosenkohl, Topinambur und ein paar Kerne Granatapfel. Eine schöne dunkle Jus dazu. Tilo Roth mag es zurzeit klassisch und spielt bei jedem Gericht, wie weit er den individuellen Dreh reinbekommt. Und das funktioniert gut. Dazu kommen noch so hervorragende Weine wie der Riesling von Battenfeld Spanier und der Grauburgunder von Kühling-Gillot. Zum Hirschkalb den 2015er Blauer Zweigelt vom Weingut Salzl „Seewinkelhof“ im Burgenland.

Tilo Roth ist in Form und seine Kochkunst einen Besuch nach Kreuzberg, an die Spree, wert. Vielleicht ist es auch Edith Berlinger, eine der wenigen Ikonen der hiesigen Gastronomie, und ihrem Mann im Hintergrund, Dietmar Schweitzer, zu verdanken. Die beiden haben schon ein paar Köche in ihren Ansprüchen und in ihrem Können unterstützt. Stefan Hartmann zum Beispiel oder Sebastian Frank, den Meisterkoch 2017 und Besitzer des Horváth. (Eva-Maria Hilker)

Rio Grande
May-Ayim-Ufer 9, Kreuzberg, Tel. 030 61 07 49 81, www.riogrande-berlin.de, tgl. ab 10 Uhr,
Speisen abends ab 7,50 bis 28,50 €, Getränke ab 2,50 €, Glas Wein (0,1 l) ab 3,90 €