Fotos: Claudia Gödke Aufmacher Hermann’s
Hermann’s

Lunch mit Zukunft

Das Hermann’s als Versuchslabor? Koch Andrea Iannicella sorgt für genussvolle Experimente

Immer mehr Firmen kommen nach Berlin, um hier herauszufinden, wie ihr Geschäftsmodell der Zukunft aussehen könnte – die Hauptstadt als Testlabor der Nation. Nun also die Keksfabrik Bahlsen aus Hannover. Dem Hermann’s auf der Torstraße, dem Innovations-Hub der Erfinder der Butterkekse mit den 52 Zähnen, ist die knusprige Verwandtschaft allerdings nicht anzusehen. Einzig der Name bedient sich beim Vornamen des Firmengründers. Und es wird dort seit der Eröffnung im letzten Jahr viel gebacken – vor allem mit Weizenalternativen wie beispielsweise Okramehl oder Kichererbsen.

Auch sonst kommt hier alles zusammen, was gerade en vogue ist: nordisch-pures Interieur, Co-Working, Event-Location, Kollaboration als Basis und die Einsicht, dass sich in der Lebensmittelindustrie etwas Grundlegendes ändern muss. Anlass des Besuches war allerdings nicht die Frage nach der Zukunft des Essens, sondern das neue Frühlingsmenü. Denn dieses wird mit einer Neuigkeit serviert: das Hermann’s hat einen neuen Chefkoch. Andrea Iannicella war zuvor Sous-Chef unter Victoria Eliasdóttir im Dóttir.

Sein Kochstil passt wunderbar zum Anspruch des Hermann’s, Comfort-Food mit Twist zu servieren. Das Menü wird täglich von 12 bis 14.30 Uhr serviert und bietet vier Gerichte zur Auswahl. Das Niveau ist hoch, die Zutaten frisch und von bester Qualität, die Zubereitung auf den Punkt. Die Küchenphilosophie bedeutet gesund und kreativ und lässt sich auf kein Etikett festnageln.

Hermann’s

Der Oktopus kommt butterzart in Begleitung von violetten Kartoffeln, Blumenkohl und Queller auf den Tisch – Mittelmeer-Feeling. Mexikanisch-asiatisch-arabisch inspiriert das Fleischgericht: Pfannkuchen aus Kichererbsenteig und Kimchi, Taco-artig belegt mit geschmortem Lamm mit Harissa sowie Spinat und Joghurt. Schön gedacht und gemacht, aber ein bisschen mehr Mut beim Würzen hätte dem Gericht gutgetan. Vegetarisch-regional war das dritte probierte Gericht: Fermentierter und pochierter Butternut-Kürbis mit Hanfpesto, frittierten Kapern sowie Buttermilch-Schnittlauch-Dressing.

Auch wenn es vorweg gutes selbstgebackenes Sauerteigbrot mit schaumig aufgeschlagener Butter gibt, waren die Portionen bei einem ersten Besuch nicht unbedingt zum Sattessen gemacht. Das hat sich danach zum Positiven verändert. Dennoch: Auf diesem Niveau kann man nicht überall in Torstraßennähe lunchen. Und die Preise von rund zehn Euro pro Gericht sind durchaus angemessen. (Michael Hetzinger)

Hermann’s
Torstraße 118, Mitte, Tel. 030 398 21 98 80, www.hermanns.com,
Speisen ab 6 €, Getränke ab 2,50 €