Fotos: Michael Hughes Aufmacher Golvet
Golvet

Humorvolle Höhenluft

Nach anderthalb Jahren macht es mehr als Spaß, 40 Sekunden Aufzug zu fahren. Björn Swanson und Team legen im Golvet zeitgemäße Kochkunst vor

Man sieht sich immer zwei Mal – dieses Sprichwort ist meist mit Rachegelüsten konnotiert. Aber bei Restaurant­besuchen kommt das eigentlich nur vor, wenn alles beim ersten Besuch so gut war, dass der Gast wiederkommt. Kein Gedanke an Vergeltung. Umgekehrt, also wenn der Abend, das Dinner nicht gut war, dann sieht man den Gast wohl nie wieder. So leider passiert. Beim ersten Abend im Golvet lag ein böser Fluch über dem Dachgeschoss in der Potsdamer Straße. Aber man sollte die Beharrlichkeit von Küchenchef Björn Swanson nicht unterschätzen. Die neue Winterkarte ist fertig und steht zum Test an. Swanson will eine faire Chance haben. Die bekommt er selbstverständlich.

Gleich beim Eintreten macht die neu installierte Decke den Raum angenehmer, einzelne Wandgemälde geben Charakter und das Monster gleich bei der Garderobe – es ähnelt einem verkaterten Michelin-Männchen – deutet schon an: Noblesse und Steifheit ist nicht angesagt. Der 13 Meter lange Bartresen macht zwar Laune auf einen Aperitif, doch da die Gäste gerade ununterbrochen eintreten und sich ihrer Garderobe entledigen, ist da erst mal Getümmel.

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Am Tisch, bei einem Glas Champagner und einer gerösteten Auster mit Mandelmilch, Meerrettich und Gurke geht es mit zwei Amuse hinein in den Abend. Noch ein kurzer Blick über die nächtlich beleuchtete Stadtansicht, und das Geschehen nimmt seinen Lauf. Unter dem Titel Fake Toro verbirgt sich ein Stück vom Bauch des Lachses, das in der Küche sonst eine nachgeordnete Rolle spielt. Swanson inszeniert dieses unterprivilegierte Teil mit Kürbiskern-Mayo, einer feinen Brühe und Rosenkohlblättchen einmal als Chip, dann mit Zitronenverbene aromatisiert, zu einer feinsinnigen Spezialität. Danach kommt Spitzkohl – wem es bis dahin noch nicht aufgefallen ist, es dreht sich bei diesem Wintermenü um Kohl – als Mille Feuille mit Perigord-Trüffel sowie einer geräucherten Crème fraîche. Beide Gerichte spielen mit cremigen, rauchigen, leicht bitteren Noten, die geschmacklich eher beruhigend, harmonisch anklingen. Übrigens werden die Speisen von den einzelnen Teammitgliedern serviert und erklärt. So lernt man Florian und Hellmuth kennen.

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Auch der Nacken vom Iberico-Schwein kommt trotz leicht säuerlicher Note eher elegant ausbalanciert daher. Auch deshalb überrascht der nächste Gang, die geflämmten Sardinen mit geeistem Cidre auf einem süßlich-scharfen Saucenspiegel. Wake up, dachte sich Swanson wohl dabei. Nicht in den eleganten Gaumenschlaf versinken! Und so sind die Sinne wieder angeregt und der Gast wird mit einer der besten Étouffée-Tauben belohnt. Ein Beweis, dass Swanson die Qualität eines Produktes in den Vordergrund spielt. Danach kommt eine Pizza im Karton auf den Tisch – eine nette Spielerei, aber ersetzt nicht den Käsegang.

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Aber das Pre-Dessert lässt diesen Zwischenschritt schnell vergessen. Es ist ein karamellisierter Grünkohlchip in Kokosnusscreme. Und das Dessert ist eine herb-süße Herausforderung. Es ist fein geraspelter Rotkohl mit weißer Schokolade und Eiscreme. Die Dramaturgie des Menüs ist perfekt abgestimmt, bis auf die Pizza.

In ähnlich entspannter Weise hat Restaurantleiter Benjamin Becker die Weine dazu ausgesucht. Ob aus Spanien einen 2016 Xarel·lo Spill, einen 2016 Grauburgunder Am Altenberg, ein Riesling aus dem Rheingau oder einen Montepulciano aus der Toskana – Becker weiß viel und kann einiges darüber erzählen, ist aber feinfühlig genug, zu merken, wenn der Genuss und nicht der Wissensdurst im Vordergrund steht. (emh)

Golvet
im 40seconds, Potsdamer Straße 58, Tiergarten, Tel. 030 89 06 42 22, www.golvet.de, Di–Sa ab 19 Uhr, Menüs: vier Gänge 100 €, fünf Gänge 115 €, sechs Gänge 130 €, sieben Gänge 150 €