Fotos: Selina Schrader Aufmacher Einsunternull
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Auf dem aufsteigenden Ast

Ein neuer Koch bedeutet auch ein Neuanfang. Im Einsunternull ist der mit Silvio Pfeufer durchaus gelungen

Immer noch ist das Restaurant im Keller nicht gesellschaftsfähig. Geschäftsführer und Gastgeber Ivo Ebert wird nicht müde seinen Gäste zu erklären, warum das Restaurant so heißt, aber eben der Raum vor der Küche im Erdgeschoss als Gastraum fungiert. Diese Alternative hat durchaus seinen Reiz. Denn so können die Gäste die Küchencrew um Silvio Pfeufer beobachten, wie sie jeden Teller bestücken und feststellen, wie jung der neue Küchenchef erscheint.

Es wird sich am Anfang des Abends nur leise, fast flüsternd unterhalten. Irgendwie ist die Stimmung verhalten angespannt. Die Erwartung ist groß. Nach den Aperos und einem Glas herrlich spritzigem Lambrusco, fällt das nicht mehr auf bzw. ist die Stimmung auch an den anderen Tischen gelöst. Denn der intellektuelle Anspruch ist ein Schritt hinter den Genuss getreten.

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Es dreht sich alles um Berlin, zumindest thematisch beim Menü. Und als Apero stehen Interpretationen einer Erbsensuppe, eines Berliners bzw. Pfannkuchen und eines Königsberger Klopses auf dem Tisch. Besonders beeindruckt hat der mit Blutwurst gefüllte Berliner. Das weiße Puder obenauf ist aus gemahlenem Steinsalz und getrocknetem Meerrettich.

Die Makrele in zwei Varianten sowie der Aal mit zarten Dill- und weiteren Kräuternoten schärfen die Wahrnehmung. Pfeufer besitzt Feingefühl, das simpel erscheint. Der Spargel, mal roh, mal sautiert, samt auf den Punkt gegarter Forelle beweist weiter die eingeschlagene stilistische Richtung. Konnotation ist die Brunnenkresse und die gemahlenen Pinienkerne. Dann kommt noch ein Stück Hecht, mit herrlich kräftigen Aromen der Sellerie und der verhaltenen Würze von Alge angereichert.

Genau zum richtigen Zeitpunkt kommt der „Broiler“ auf den Tisch: Ein saftiges Stück Hähnchenbrust mit Passe Pierre und Eigelb – geröstete Hühnerhaut obenauf – sowie zwei oder drei Stäbchen Pommes. Das setzt Maßstäbe, so also können Pommes schmecken, so kann ein Eigelb zum cremigen Kunstwerk auf dem Teller werden.

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Dann das Spanferkel. Das ist berlinerisch und kosmopolitisch zugleich. Butterzart das Fleisch, saftig die Dumplings und drumherum sitzen eingelegte Zwiebelchen auf Feigenschaum. Das ist kein kunsthandwerkliches Angebergetüpfel, das hat Geschmack und macht Sinn. Und eigentlich hätte das schon gereicht zum Glücklichsein, aber da ist noch Short Rib „Sonnenallee“. Hierbei spielt Pfeufer mit den Gewürzen der Basare. Der Spinat mit Petersilie und Minze eine Inspiration, die Linsen mit einem filigranem Spiel aus Zitrusnoten und Gewürzmischungen hätten durchaus einen eigenen Auftritt verdient, das Short Rib ging geschmacklich etwas unter. Wie gesagt, es ist an diesem Abend ein Gang zu viel.

Die Desserts von Marie Mang sind ein angemessener Abschluss, der Geschmack der Pralinen hat eine süß-aromatische Nachwirkung. Gastgeber Ivo Ebert ist die Erleichterung anzumerken, auch wenn er ganz seiner Berufung einen hervorragenden Beurey Chambertin 2014 aus dem Burgund einschenkt. Gemeinsam mit ihm und Silvio Pfeufer stoßen wir auf den Neuanfang an und, wie gesagt, ganz so jung ist der Küchenchef mit 29 Jahren nun auch nicht. In den nächsten Wochen soll es zudem im Keller – im Einsunternull – auch wieder weitergehen. (emh)

Einsunternull
Hannoversche Straße 1, Mitte, Tel. 030 27 57 78 10, www.restaurant-einsunternull.de, Do-Mo ab 19 Uhr, Sieben-Gänge-Menü 129 €, Wasser-Flatrate 6 €, Fl. Wein ab 39 €