Fotos: Lee Edward Aufmacher Kink
Kink

Feinsinniges Pairing

Im endlich eröffneten Kink trifft Avantgarde auf Bar-Feeling – und Spargel auf Miso

Man wähnt sich in der Kink-Bar in einer Kathedrale. In der Mitte thront altarartig eine große Bar, von der hohen Decke hängt eine rote, geschwungene Skulptur. Toller Raum! Welch tragische Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet zur Eröffnung des Restaurants die Bar geschlossen bleiben muss.

Corona ist schuld. Damit teilt das Kink das Schicksal aller Berliner Bars, hat sich aber immerhin rechtzeitig vor der unvorhersehbaren Krise ein zweites, kulinarisches Standbein geschaffen. Die ursprünglich für März geplante Eröffnung musste verschoben werden, aber jetzt ist es soweit. Und auch wenn der Bar-Raum außer Betrieb ist, nimmt sie einen großen Raum im Konzept ein. Denn laut eigener Aussage ist die intensive Zusammenarbeit zwischen Bar und Küche ein wichtiges Merkmal der Neueröffnung auf dem Gelände des Pfefferbergs in Prenzlauer Berg.

Aber erstmal zur Optik: Der Gastraum ist weniger sakral, aber sehr gelungen. Erdige und doch frische Töne dominieren den Hauptraum, eine Galerie an einer Seite schafft Luftigkeit und Freiraum und große Glastüren öffnen sich zur großen Terrasse. Dort sitzt man unter Bäumen fast wie im Wald mitten in der Stadt. Der angenehme Nebeneffekt in diesen Zeiten: viel Platz für viele Tische mit viel Abstand.

Am Tisch geht es zügig los mit dem Aperitif mit Namen „Aprikose & Lavendel“. Lavendel wird sous-vide gekocht, mit Apricotbrandy, Apfel, Cog­nac und weißem Portwein gemischt und mit Champagner aufgegossen. Dieser ist nicht nur exemplarisch für den Stil des Barchefs Arun Naagenthira Puvanendran – komplexe Aromen, aufwändig komponiert und doch unkompliziert im Genuss –, sondern ist auch ein ausgezeichnetes Pairing zur Butter, die mit Apfelholzspänen geräuchert zum Brot serviert wird.

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Die Zusammenarbeit zwischen Bar und Küche funktioniert also hervorragend. Über Letztere herrscht Chefkoch Ivano Pirolo, der nach einer Station im spanischen Avantgarde-Tempel El Celler de Can Roca in Katalonien zuletzt Chef de Partie im Berliner Facil war. Gemeinsam mit dem Barchef mixen beide fröhlich regionale und saisonale Produkte mit ausgefeilten Prozessen sowie Ideen und Zubereitungsarten aus der ganzen Welt. Das Ceviche kommt säuerlich-frisch mit Sellerie, Gurke und Granny Smith in die Schale und wird am Tisch mit einer Jalapeno-Gurken-Maracuja-Essenz besprüht. Hauchdünn geschnitten thront das Carpaccio vom Simmentaler Rind auf Stracciatella-Käse und eingelegten Radieschen, bestreut von Liebstöckelpulver – eine ungewöhnlich gute Interpretation. Romana-Herzen werden gebraten serviert, gut aufgelegt mit veganer Aioli, Dill, Verjus und Gongyuan. Beelitzer Spargel kommt knackig gegrillt mit einer samtigen Sauce aus Erdnuss, Miso und Zitrone – Brandenburg meets Japan.

Das Cocktail-Pairing hat nicht den Anspruch, zu jedem Gang einen exklusiven Drink zu bieten, aber Essenzen aus der Sprühflasche wandeln die Drinks so ab, dass sie je nach Sprühstoß zu unterschiedlichen Gerichten passen. Der Drink zum Spargel heißt logischerweise „Beelitzer Spargel“, besteht aus mit Tanqueray Gin redestilliertem Spargel, Sherry und Verjus. Besprüht mit Anis ergänzt er den Spargeldrink mit schöner Kräuternote, als Begleiter des Bärlauchrisottos sorgt ein Sprühstoß Minze für den Frischekick.

Ganz schön viele Komponenten und Aromen kommen da auf den Tisch. Aber keine Sorge: Überforderung tritt bei keinem Gericht oder Pairing ein, denn alles fügt sich entweder logisch zusammen oder wird um einen ungewöhnlichen Kniff ergänzt. Wenn man es auf einen Nenner bringen will: entspanntes Bar-Feeling meets Casual Fine Dining. Kurz vor dem Corona-bedingten frühen Schluss, gegen 22 Uhr, setzt das Dessert samt Pairing noch ganz entspannt dem Abend die Krone auf. Zum Rote-Bete-Küchlein, getoppt von Quarksorbet mit Himbeeren in zweierlei Textur und Sauerampfer kommt flüssig „Schattenmorelle & Kaffee“, bestehend aus hausgebrautem Coldbrew-Kaffee, Ruby Portwein, Varnelli, Schattenmorelle und Vodka. Das passt. Optisch und geschmacklich. (Michael Hetzinger)

Kink
Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg, Tel. 030 41 20 73 44, www.kink-berlin.de, Di-Sa ab 18 Uhr, Speisen 7 bis 18 €, Bier ab 4 €, Glas Wein ab 4,50 €, Cocktails ab 11 €