Fotos: Selina Schrader Aufmacher Hinterland
Hinterland

Landgasthof im Großstadt­dschungel

In ihrem Bistro Hinterland gibt Madeline McLean ihren Gästen das Gefühl, dass sie selbst mit einem Landgasthof verbindet. Geborgenheit und Gemütlichkeit – verbunden mit frischen Köstlichkeiten aus dem Umland

Mit einem „Clear Sky Spritz“ in der Hand macht es sich der Gast in den letzten Strahlen der Abendsonne auf der Außenbestuhlung gemütlich und vertieft sich in die Karte. Der Drink, ein Aperitif auf Ginbasis, mit weißem Wermut und hausgemachtem Tannenbitter verfeinert, kommt angenehm leicht und trocken daher. Die winzigen Tannenzapfen, mit denen er garniert wird, nicht größer als Getreidekörner, sind direkt nebenan gepflückt worden und können gerne mitverzehrt werden. Regionaler geht es nicht.

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Zur Vorspeise gibt es dreierlei Käse des Ökohofs Stolze Kuh, dazu eingelegte Aprikosen. Wie alles Eingelegte, das hier auf die Teller kommt, sind sie hausgemacht. Ganz nach klassischer Landgasthofmanier. Begleitet wird der Käse von Tomatenchutney, dessen angenehme Schärfe für das nötige Prickeln sorgt. Dazu die Pimientos de Padron, die hier nicht klassisch-minimalistisch nur mit Salz, sondern auf hausgemachtem Labneh mit gerösteten Brotkrumen serviert werden. Das Labneh, eine Art reduzierter Ziegenjoghurt, ergänzt die Pimientos um eine sauer-frische Cremigkeit, die Breadcrumbs sorgen für den richtigen Biss. Die dritte Vorspeise ist geräucherter Bückling an eingelegtem Meerrettich. Diesen, so wie alle anderen Fischprodukte, bekommt McLean von der Fischerei Stechlinsee in Brandenburg.

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Bei einem anschließenden Orange Wine drehte es sich entspannt um die Hauptgänge. Die Entscheidung fällt auf dreierlei Hauptspeisen. Zum einen auf Kartoffelspalten „Junge Annabelle“, die mit ansprechend ausbalancierter Kräuter Vichyssoise und Saiblingskaviar gereicht werden. Die Kartoffeln sind bissfest und die Kaviarperlen kontrastieren das milde Gericht mit dem typisch intensiven Fisch- und Räucheraroma, wenn sie im Munde zerplatzen. Dazu gibt es Tatar vom Rind in einer Estragoncreme an Fenchel.

Das Highlight der Hauptgänge sind die Spinatknödel an Büffelmilchricotta. Auf frischem Salatgrün serviert, zerlaufen die in Butter gebratenen Knödel förmlich im Munde. Die cremigen Brataromen kommen perfekt zur Geltung, der grob belassene Spinat sorgt für den richtigen Biss. Dazu gibt es einen gekühlten Roten vom Weingut Judith Beck. Untypisch, gewiss, angesichts der warmen Temperaturen, jedoch keinesfalls unpassend.

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„We just love our wine chilled“, kommentiert McLean die gewählte Serviertemperatur. Die gelernte Köchin ist erklärte Weinliebhaberin, hat mit Natty Berlin selbst schon eine Pop-Up-Reihe auf die Beine gestellt, die sich ganz dem Naturwein verschrieben hat. Diese Leidenschaft findet sich auch in der Karte des Hinterland wieder. Neben drei offenen Weinen bietet sich dem Gast eine enorme Auswahl an ausgezeichneten Flaschenweinen.

Zum Nachtisch steht Frozen Yoghurt, garniert mit Walnüssen und Garam Masala oder French Toast an Sauerkirschenkompott zur Wahl. Begleitet werden die süßen Speisen von einem ebenfalls gekühlten Cold Drip Coffee mit Kardamom. Der orientalische Abschluss ist gleichzeitig eine sanfte Erinnerung daran, dass man immer noch in Kreuzberg ist. Denn bei all den ländlichen Köstlichkeiten war man fast dazu geneigt, die Platanen der Gneisenaustraße für uckermärkischen Eichenwald zu halten. (Leon Disser)

Hinterland
Gneisenaustraße 67, Kreuzberg, Tel. 030 98 43 84 47, www.hinterlandprovisions.com, Di-Sa 12-15 und 18-23 Uhr, Speisen 8-16 €, Glas Wein ab 6 €, Fl. Wein ab 35 €