So ein Affenzirkus!
Laut, lustig, leidenschaftlich – so das Urteil von unserem Autor Michael Hetzinger. Denn die Bellboy Bar zitiert die 20er Jahre mit ulkigen Cocktails und Essen jenseits von Barfood
Tel Aviv expandiert nach Berlin. Night Kitchen. Montraw. Layla. Und jetzt die Bellboy Bar. Ich persönlich würde mir ja mal den Export des schönen Wetters aus der stets sonnigen Mittelmeermetropole zu uns wünschen, aber das ist wohl nur der übliche Winterblues. Was das Bellboy aber definitiv nach Berlin bringt, ist gute Laune. Und das ist ja schon mal was.
Die in Tel Aviv gegründete und dort erfolgreiche Bellboy Bar eröffnet mit dem Bellboy Berlin ihren ersten internationalen Ableger. Dazu wurden die Räume des ehemaligen Mark Brandenburg im Hilton Hotel am Gendarmenmarkt in eine Zeitkapsel gesteckt und in die 20er Jahre zurückbefördert. Das Interieur ist so auf alt getrimmt, dass man wirklich denkt, es sähe dort schon immer so aus.
Nach dem Empfangsbereich, der einen Hotelempfang nachahmt, betritt man den Hauptraum. Dort gibt es viel dunkles Holz, gemütliche Sofas und Polsterstühle, Kronleuchter, verspiegelte Decken, eine große, klassische Bar, schummriges Licht – und schwere Vorhänge schließen das Licht so konsequent aus, dass man vergisst, ob es Tag oder Nacht ist. Letzteres ist eindeutig vollauf beabsichtigt. Durch eine Art Schleuse erreicht man den zweiten Bereich, eine Art komplett rosa gefärbtes, plüschiges Boudoir, genannt The Pink Room und ein Raucherraum versteckt sich hinter einer Geheimtür: The Butler.
Das Ganze soll den Besuchenden in eine Parallelwelt entführen, die sich surreal und abenteuerlich anfühlen soll. Surreal verlief der Abend durchaus für eine meiner Begleiterinnen, die zuverlässig den ganzen Abend jedes Mal erschrocken zusammenzuckte, wenn die Bartender einen Cocktail schickten. Das wird nämlich durch eine laute Tröte angekündigt.
Eine Tröte fährt auch ab und an durch die Bar, befestigt an einem Kinderwagen. Von dort werden Shots in Austernschalen serviert. Um zur Toilette zu kommen, muss man den richtigen Drücker finden. Dort angekommen, entpuppt sich der Spiegel über dem Waschtisch als Öffnung zum gegenüberliegenden Waschraum des anderen Geschlechts. Also ja, man fühlt sich tatsächlich ein bisschen entführt in eine andere Welt. Den Alltag hab ich vor der Tür gelassen.
Cocktails gibt es übrigens auch. Und die trugen in meinem Fall zusätzlich zur Belustigung meiner Begleiter*innen bei. Wetten, die Fotos mit mir und den Cocktails tauchen in der nächsten Zeit auf deren Instagram-Kanälen auf? Selbst schuld, wer einen Drink mit Namen Ballroom Beauty bestellt. Der wird in einem Porzellangefäß in Form einer Dame im Ballkleid sowie auf einem sich drehenden Spiegelpodest serviert. Haha. Geschmacklich gehörte er zur Kategorie „Herbal“, war dafür jedoch recht süß. Mit dem nächsten Drink wollte ich auf der sicheren Seite sein. Name: Supergrass – mit Tequila, Weizengras, Limette, Apfelcider und mehr.
Und was kommt auf den Tisch? Hulks Faust. Groß, knallgrün, aus Schaumstoff. Um den Drink zu trinken, muss man sich die Faust anziehen wie eine Art Handschuh. Sozusagen der grüne Superheld außer Kontrolle als Trinker. So kann man sich täuschen … Die ungewöhnliche Art der Cocktailpräsentation ist das Markenzeichen des Bellboy. Es gibt Cocktails in kleinen Badewannen, Wikingerhörnern, Fischen und mehr.
Unterhaltsam ist nicht zuletzt auch das Essen. Es gibt eine vollwertige Speisekarte, auch das ist eine Besonderheit für ein Barkonzept. Man kann also getrost gleich ins Bellboy gehen und muss nicht erst woanders Essen. Viele Gerichte eignen sich prima zum Teilen. Die Küche mischt kochstilistisch Europa, Asien und die Levante. Thunfisch-Crudo, Shrimpcocktail auf Toast, Beef Tartare, Carpaccio von der Gelbschwanzmakrele und Entenleberpâté in Form einer kleinen, gold-überzogenen Quietscheente. Aber auch große Gerichte wie Rinderfilet mit Matcha-Beurre-blanc und Entenbrust. Handwerklich gut gemacht und unkompliziert sind die Gerichte, die perfekte Begleitung für den unterhaltsamen Abend.
Wer einen Ort sucht für einen unterhaltsamen und kurzweiligen Abend mit Freunden, der einen den trüben Berliner Winter vergessen lässt, der ist im Bellboy genau richtig. Das haben auch schon einige andere erfahren, die Bar ist auch unter der Woche gut besucht, daher ist eine Reservierung empfehlenswert.
Bellboy Bar
Mohrenstraße 30, Mitte,