Fotos: Rebekka Csizmazia Aufmacher Cookie
Cookie

„Es geht einfach darum, was ich heute mache“

Heinz Gindullis alias Cookie macht wieder mal etwas ganz Neues. Er hat mit einem der größten Softwareanbieter ein Restaurant eröffnet. Im Data Kitchen ist ein Stück Zukunft Gegenwart geworden

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Rebekka Csizmazia

Tanzt du eigentlich noch?
Cookie: Morgens wenn ich aufwache, zuhause, zu elektronischer Musik. Ich habe viele DJ-Sets und die höre ich einfach so durch. Ich bringe die Musik von ganz unterschiedlichen Plätzen mit – aus dem Urlaub, aber auch aus dem Crackers. Ich sammle weltweit alles, was mir spontan gefällt.

Du betreibst das Crackers, das Cookies Cream, und es war schon vor einigen Jahren klar, dass dir das Nachtleben nicht reicht. Da hast du dann den ganzen Tag mit den beiden Chipps-Restaurants mit Frühstück und Mittagessen ausgeschöpft. Aber das nach einiger Zeit wieder gelassen.
Genau, und jetzt fragst du mich, warum ich wieder auf den Tag zurückkomme? Es war die Herausforderung, etwas vollkommen Neues auszudenken und das dann in der Realität auszuprobieren. Das war der Hauptantrieb wieder ins Tagesgeschäft einzusteigen. Noch ein weiteres Restaurant-Konzept wie das Chipps oder ein anderes Tagesgeschäft zu realisieren, wäre für mich langweilig. In dem Fall, also mit Data Kitchen in seiner Komplexität des gesamten Ortes, das war die eigentliche Herausforderung.

Digitalisierte Emotionen in der elektronischen Musik und jetzt digitalisierten Genuss als Inszenierung. Hättest du persönlich jemals erwartet, dass wir heute hier sitzen und per App unser Essen in der Küche ordern?
Ich bin mit dem Computer aufgewachsen. Aber das Zusammenspiel von Smartphones und Apps habe ich mir so nicht vorstellen können. Als Kind war einer meiner Lieblings­filme „Zurück in die Zukunft“, also die Neugier auf Fortschritt war schon immer da. Ich kann nicht voraussagen, was in zehn oder 15 Jahren passiert, aber ich bin jemand, der an Fortschritte glaubt und auch konkret Zukunftsprojekte austestet. Dabei kann es auch passieren, dass die Ideen nicht funktionieren.

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Zurück zur Gegenwart – der Gast hat also auf seinem Smartphone eine App, da kann man sein Essen bestellen. Und wie in den 50er/60er Jahren kommt das dann aus so einer Klappe heraus.
Das ist sehr einfach erklärt, aber im Prinzip funktioniert das so. Du kannst also vom Handy oder vom Computer aus dein Essen bestellen und bezahlen. Und wenn du den Laden dann betrittst, kannst du quasi mit deinem Smartphone den Automaten öffnen.

Was macht denn jetzt jemand der kein Smartphone hat?
Du kannst dir dann ein Gerät bei uns leihen und den gesamten Bestell- und Bezahlprozess darüber machen. Wenn du keine Kreditkarte oder ein Paypal-Konto hast, gibt es auch die Möglichkeit, einen Gutschein zu erwerben und den Gutscheincode einzutippen. Nicht das jetzt ein falscher Eindruck entsteht. Es gibt hier eine Verbindung von Mensch und Technik – das ist ja das Geniale daran: wir nutzen die Technik, sie schenkt uns Zeit! Wir haben einen Restaurantleiter, Christian Hamerle, der ist bekannt für seine Gastfreundlichkeit, und wir haben Service, der wie überall um das Wohl des Gastes besorgt ist.
Der Restaurantleiter und auch der Service ist hier um zu sehen, dass es dir gut geht, um dir zu helfen bei der Bestellung und auch um den gesamten Raum zu versorgen. Er hat mehr Zeit auf deine Bedürfnisse einzugehen ohne sich um den Bestell- und Bezahlprozess kümmern zu müssen.

Für die Küche ist das digitale Bestellsystem doch auch eine ziemliche Herausforderung?
Ganz im Gegenteil. Es gibt keinen Kellner, der dem Küchenteam die Bestellung in die Computerkasse eingibt. Der Gast ersetzt sozusagen den Vorgang des Kellners. In der Küche kommt die Bestellung auf den Bildschirm, dort ist dann auch zu erkennen, dass sie angekommen, in Bearbeitung oder fertig ist.

Wie groß ist das Küchenteam?
Jetzt am Anfang sind wir momentan zu fünft in der Küche, aber das muss sich dann erstmal „eingrooven“. Sie machen Frühstück und Mittagessen von 9 bis 17 Uhr. Um 16.45 Uhr gibt es die letzte Bestellung. Das regelt dann die App. Du kannst nicht mehr bestellen, wenn die App schließt. Super ist auch, dass du ab 7 Uhr morgens für den gleichen Tag vorbestellen kannst.

Aber nicht für den nächsten?
Nein! Es geht einfach darum, was ich heute mache. Weiß ich, was in drei Tagen ist? Es geht ums Heute.

Wenn ich mich hier jetzt so umschaue und die Gäste sehe, dann sind das junge Hipster, Nerds – digital affine Leute aus den umliegenden Start-ups.
Am Hackeschen Markt gibt es zahlreiche Start-ups. Die Gäste, die wir erstmal in der Testphase eingeladen haben, um das System kennenlernen und mit uns ihre Erfahrungen zu teilen, kommen aus der Nachbarschaft. SAP-Mitarbeiter zum Beispiel. Anfang November öffnen wir hoffentlich ohne große Schwierigkeiten. Denn jetzt sehen wir noch, dass die Bestellung bei einem Smartphone-Modell besser funktioniert als am anderen.

Ich erinnere mich noch an die Anfangsphase vom Chipps in der Jägerstraße. Da konntest du dir dein Gericht nach dem Baukastensystem zusammenstellen. Da landeten Irrsinns-Bons in der Küche. Die Gäste konnten sich dann nicht mehr erinnern, was sie eigentlich zusammen bestellt hatten.
(lacht) Ich habe bei all meinen Projekten viel gelernt. Beim Chipps damals vor sechs Jahren haben wir mit einem neuen Konzept experimentiert. Mittlerweile entscheide ich mich viel viel früher, ob ich das Konzept so verfolge. Hier ist das etwas anderes. Es ist eine Innovation, es bedeutet Zukunft und ich habe das Glück, einen tollen Partner wie SAP im Boot zu haben.

Wie habt ihr euch denn gefunden? Ist es nicht schwierig mit einem Konzern zusammen­zuarbeiten? Wie laufen da die Auseinandersetzungen? Ihr seid doch bestimmt nicht immer einer Meinung.
Tatsächlich hat uns der Vermieter der Location einander vorgestellt. Dann haben wir ein Jahr gemeinsam an dem Konzept gearbeitet. Es war von Anfang an klar, dass wir ein innovatives gastronomisches Konzept zusammen machen wollen und es gab von beiden Seiten großes Vertrauen. Manche Prozesse und Umsetzungen brauchen Zeit. Ich habe eine bestimmte Vorstellung im Kopf und bei der Umsetzung stelle ich dann fest, dass man ganz anders damit umgehen muss.

Jetzt ist also einer der welt­größten Software-Anbieter dein Partner und ein klassischer Handwerker, Küchenchef Alexander Brosin, steht am Herd. Er war Sous-Chef von Michael Hoffmann aus dem Margaux. Gab es Vorbehalte, dass alles zu technisiert abläuft?
Alle, die hier jetzt arbeiten, sind davon begeistert was Neues auszuprobieren, ein neues Konzept, das es so in der Art und in Deutschland noch nicht gegeben hat. Wir probieren es aus, mit allen Herausforderungen, die damit verbunden sind.

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Zum Speiseangebot – du bist seit Jahren konsequent Vegetarier. Beim Crackers gibt es ja schon Fleisch und hier jetzt auch. Hat das etwas an deiner Einstellung, dass du Vegetarier bist, geändert oder bist du weiterhin konsequent?
Ich bin zu 100 Prozent Vegetarier und ich bleibe es auch. Ich würde mich persönlich freuen, wenn die Menschen auf der Welt weniger Fleisch essen würden. Wir sollten zumindest darauf achten, dass wir Produkte verwenden, deren Her­stellung wir auch vertreten können. Wir führen unsere Ethik, die wir für uns aufgebaut haben, weiter.

Euer Restaurantleiter ist profunder Weinkenner. Wird es denn Alkohol überhaupt geben?
Uns ist bewusst, dass ein Tages­laden nicht unglaublich viel Alkohol verkauft, aber wir werden selbstverständlich Wein im Angebot haben. Im angrenzenden Eventbereich, wo abends Veranstaltungen stattfinden, ist das Wissen von Christian daher von großer Bedeutung.

Wie sieht es mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aus?
Wir versuchen den Preis bezahlbar zu halten, aber der Gast muss wissen, dass gute Produkte einfach kosten. Der Mittagstisch wird irgendwas zwischen 8 und 16 Euro kosten.

Die Inneneinrichtung ist sehr dezent, sehr klare Linien, sehr reduziert – ganz anders als der sonstige Stil deiner Restaurants.
Laura Rave hat als Innenarchitektin von SAP den Auftrag bekommen, worüber ich mich sehr freue. Mit Laura habe ich schon sehr viele Projekte zusammen realisiert, u.a. das Crackers. Dieses Projekt ist wirklich ihr Baby und ich bin glücklich über all die Ideen, die entwickelt wurden.

Jetzt nochmal zur modernen digitalen Welt. Wir hatten vorhin darüber gesprochen, dass man auch via Smartphone bezahlt.
Unsere Tageskassen werden leer sein.

Und wie ist das mit dem Trinkgeld?
Das können die Gäste selbstverständlich digital oder bar geben. Und es wird gerecht geteilt.

Data Kitchen
Rosenthaler Straße 38, Mitte, Tel. 030 680 73 04 14, www.datakitchen.berlin