Antonio Rilling (links) und Frederik Jagla (rechts) über das Konzept ihrer Deutschland­tournee
Fotos: Selina Schrader / HiPi
Aufmacher Barkin’Kitchen
Barkin’Kitchen

„Es ist eine Riesen­aufgabe, die Stadt zu repräsentieren“

Die vielschichtige Food-Szene in Berlin ist mittlerweile eine der Haupt-Attraktion für Touristen. VisitBerlin – Berlins offizielle Marketing-Organisation – tourt mit der Crew von Barkin’Kitchen durch die Bundesrepublik. Unter dem Motto „Pop into Berlin“ geht es nach Köln, Frankfurt und Hamburg. Und zum ersten Mal mit einem Pop-up-Restaurant

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Mal ganz dumm gefragt – der Name hört sich eher nach Gefängnis an oder nach einem bellenden Hund?
Antonio Rilling: Ende 2014 haben wir angefangen, ungewöhnliche Orte, ungewöhnliche Menschen und ungewöhnliches Essen zusammenzubringen. Und brauchten dann einen Namen. Barkin’Kitchen war der Versuch, den Bereich Essen durch den Begriff Kitchen zu repräsentieren und den Bereich Bar, Getränke mit Barkin, mit dem Wort Bar darin, zusammenzuführen.
Frederik Jagla: Um es einmal ganz simpel zu sagen, wenn man das „K“ weglässt und englisch ausspricht, heißt es Bar in Kitchen. Also es ist eigentlich der Brückenschlag. Wir haben vor drei Jahren mit Cocktail-Pairing-Menüs angefangen. Antonio hat diesen Trend aus Los Angeles mitgebracht.

Was hast du in Los Angeles gemacht?
Antonio: Ich habe für die Agentur Bold gearbeitet und die haben eine Dependance in LA aufgemacht. Für die habe ich ein bisschen gearbeitet, habe geholfen, das LA-Office mit aufzubauen. Die haben aber nichts mit Food zu tun, die haben eher den Bereich Mode abgedeckt. Ich bin auch derjenige in der Firma, der am wenigstens mit Gastro zu tun hat.
Frederik: Wir sind zu dritt in der Firma. Antonio der Kulturmanager, der sich viel auf den sozialen Kanälen rumschlägt. Dann Iannis Ritter, er ist der Koch, der die Fäden zusammenhält. Ich bin gelernter Koch mit Schwerpunkt F&B-Management.

Antonio Rilling (links) und Frederik Jagla (rechts) über das Konzept ihrer Deutschland­tournee Barkin’Kitchen 1

Wie habt ihr euch kennengelernt?
Frederik: Iannis und ich haben eine Lehre im Adlon bei Thomas Neeser gemacht. Dann haben wir uns bei den ersten Küchenchefstellen gegenseitig ins Boot geholt und haben immer zusammengearbeitet. Das machen wir quasi seit zehn Jahren. Die erste Küchenchefstelle war Fluxbau.
Antonio: Da haben wir uns kennengelernt. Ich war damals Eventmanager im Fluxbau.

Ihr seid ab September Botschafter der Berliner Gastronomie und reist durch die Bundesrepublik. Ist euch da nicht ein bisschen mulmig zumute?
Antonio: Am Anfang nicht. Wir bekommen ein Angebot, eine Aufgabe und ich sage immer erst einmal ja. Respekt entwickelt sich im Laufe der Zeit. Aber jetzt sind wir mittlerweile an einem Punkt, wo wir gut vorbereitet sind und alles geplant haben.
Frederik: Es ist eine große Aufgabe, die Berliner Gastronomie zu repräsentieren. Es ist eine Mammutaufgabe, die eigentlich gar nicht lösbar ist. Man kann in drei Gängen nicht die Berliner Gastroszene präsentieren. Dafür ist die Szene zu vielfältig. Dafür gibt es zu viele verschiedene Kulturen und Leute, die hier leben, arbeiten und tolle Sachen machen.

Gibt es in jeder Stadt immer die gleichen drei Gänge? Und wo seid ihr überall?
Antonio: Im September in Köln, im Oktober in Frankfurt am Main, im November in Hamburg.
Frederik: Wir arbeiten an fünf Tagen mit jeweils einer Doppelbelegung, mit jeweils 50 Gästen. Das heißt, es werden 100 Leute pro Abend, 500 Leute pro Woche.

Und die Orte? Sind die schon geklärt?
Antonio: Wir haben vor Ort Adressen gesucht, die einen speziellen Charakter haben, leere Fabrikhallen, alte Lagerhallen zum Beispiel.

Was die Kücheninfrastruktur angeht, wie sieht es da aus?
Frederik: Das ist in jeder Stadt unterschiedlich. Wir haben ja durch unsere Verbindungen in jeder Stadt Leute, die wir kennen. Dementsprechend sind manche der Locations ausgestattet mit einer Basic-Einrichtung, manche Küchen etwas besser.

Ihr fangt also nicht bei null an.
Frederik: Wir machen diese Pop-up-Geschichten ja schon eine Weile. Wir waren letztes Jahr in Barcelona, haben dort eigentlich noch viel aufwendiger aus einer Haushaltsküche heraus gekocht. Und sind mit sehr viel mehr Fragezeichen dahin geflogen. Wir sind dort zum Markt gefahren, haben geguckt, was für Produkte vorhanden sind. Haben das Menü geschrieben. Am nächsten Morgen sind wir wieder zum Markt gefahren und haben eingekauft. Am Abend gab es das Essen. Wir sind es gewohnt zu improvisieren. Bisher haben wir es immer hinbekommen. Deswegen haben wir jetzt nicht die große Angst, dass wir das total versemmeln. Aber es ist eine Riesenaufgabe, die Stadt zu repräsentieren. Wir sind alle drei aus Berlin, hier geboren, hier aufgewachsen. Das heißt, es ist uns natürlich auch eine Herzensangelegenheit, das gut und vernünftig zu machen.

Könnt ihr schon verraten, wie das Menü ungefähr aussehen wird?
Antonio: Jeder Gang wird einen Titel haben, der einen gewissen Teil der Stadt abdeckt. Es geht um den Bereich Grün, grüne Stadt, grüne Hauptstadt, grüne Metropole.
Frederik: Urban Jungle ist das übergeordnete Designkonzept, die Verbindung zwischen dem grünen Berlin und Streetart, der Kunstszene, in der viel passiert. Im ersten Gang konzentrieren wir uns auf die Berliner Wasserwege, auf das Wasser, auf das Wasser im Umland. Es geht ja auch darum, die Stadt zu bewerben. Da werden wir uns auf Süßwasserfisch konzentrieren. Wir arbeiten mit der Storkower Fischerei zusammen.

Also die Wasserstadt Berlin mit ihren ganzen Produkten. Arbeitet ihr ausschließlich mit regionalen Produkten?
Frederik: Im zweiten Gang konzentrieren wir uns auf das Thema Multikulti. Das leitet sich auch ab von unserem Stil zu kochen. Durch Iannis' Erfahrungen in Südamerika, in Mexiko, wo er gearbeitet und gelebt hat. Wir werden aber auch hier mit regionalen Produkten, auch mit klassischen Küchentechniken arbeiten.

Barkin’Kitchen 1

Beim Hauptgang weiß ich jetzt überhaupt nicht, was es gibt.
Frederik: Es gibt Wild, es gibt Fisch, es gibt Gemüse. Es wird, soviel darf man sagen, eine Udon-Suppe sein. Wir wollen die kulturelle Vielfalt der Stadt aufzeigen. Man kann aber nicht alle Kulturen auf denselben Teller bringen.

Es wird also Bowls zum Hauptgang geben?
Frederik: Ja, zum Hauptgang werden große Bowls mit Consommé angegossen, sinnbildlich als Melting Pot. Es gibt entsprechende Titel für die jeweiligen Gänge, erster Gang nennt sich Südspree, der Hauptgang Melting Pot Berlin und der dritte Gang, also das Dessert heißt „Kartoffel, Erbse, Speck 20.17“, ein Klassiker umgemünzt als Dessert.

Wie kann man sich denn Gemüse als Dessert vorstellen?
Frederik: Topinambur ist dabei. Und wir machen aus Kartoffeln einen Krapfen, quasi etwas Schmalzgebackenes. Machen aus der Erbse ein Sorbet und den Speck im amerikanischen Stil. Der Trend geht immer mehr in diese Richtung. Die Coda Dessertbar macht viel mit Gemüse. Mit den klassischen Süßspeisen kriegt man die Leute nicht mehr wirklich hinter dem Ofen hervor.

Jetzt tourt ihr also durch die Bundesrepublik? Was passiert in der Zwischenzeit in Berlin?
Antonio: Wir haben im Laufe der Zeit gemerkt, dass es neben diesen Bereichen wie Catering, Supper-Clubs und Pop-ups noch den Bereich Corporate Events gibt, der auch für uns spannend ist. Dafür haben wir eine Agentur gegründet. Die nennt sich nur Bark. Da geht es um Konzeptentwicklung, um Beratung, um Eventmanagement. Das Thema Essen und Trinken ist zum Lifestyle-Thema herangewachsen. Viele Firmen nutzen dieses Thema auch, um ihr Produkt in den Vordergrund zu stellen. Ein Beispiel: Heute morgen kamen sechs Leute aus Basel und wollten von uns die Idee für einen kompletten Messeauftritt in Basel haben. Da geht es um eine Smoothie-Bar mit Essenskonzept, Beratung, Fotoshooting, mit allem.

hr macht weiter Business as usual und das geht on top?
Frederik: Ja! Bei unserem Lunchgeschäft verschenken wir eigentlich unser Essen an die Nachbarschaft. Wir arbeiten gerade mal kostendeckend. Für 8,50 Euro gibt es bei uns einen Lunch, der aus drei Schalen besteht. Die Gäste können sich unterschiedliche Zutaten zusammenstellen. Es ist immer frisch und handgemacht.

Wie sieht das konkret aus?
Frederik: In der ersten Schale hast du immer einen Salat, in der zweiten gibt es immer zwei verschiedene Beilagen, in der letzten Schale gibt es immer die Hauptkomponente. Man hat also 18 Möglichkeiten, sich sein Essen zusammenzustellen. Wir kaufen keine unrealistischen Mengen, nicht so viel Ware ein. Wir wollen kein Essen wegwerfen. Wir wollen nicht für die Tonne produzieren. Wenn wir Freitag um 14 Uhr ausverkauft sind, dann ist das so. Wie schon gesagt: Das Mittagsgeschäft ist ein Angebot an die Nachbarschaft. Zusätzlich produzieren wir auch für nahe gelegene Büros das Mittagessen. So zum Beispiel für eine Firma im Nachbarhof. Die Mitarbeiter bestellen einmal die Woche bei uns ihr Essen, wir bringen ihnen das ganz unkompliziert ins Büro.

Barkin’Kitchen
Glogauer Straße 7, Kreuzberg, Tel. 030 60 27 50 29, www.barkberlin.com, Lunch Mo–Fr 12–15 Uhr

Pop into Berlin!
www.visitberlin.de/de/popintoberlin