Fotos: Selina Schrader Florian Glauert Aufmacher
Florian Glauert

„Es ist immer ein Balanceakt, den wir aushalten“

Der gebürtige Berliner hat nicht nur in Berlin zahlreiche Stationen hinter sich gebracht. Florian Glauert hat weltweit in Fünf-Sterne-Häusern Erfahrung gesammelt, mit Sterneköchen zusammen­gearbeitet und war auch bei Konzepten wie dem Kochhaus involviert. Seit nunmehr acht Jahren garantiert er als Küchendirektor im Hotel Ellington anspruchsvolle sowie alltagstaugliche kulinarische Versorgung

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Bauhaus trifft Baustil – was steckt hinter dieser Doppeldeutigkeit?
Florian Glauert: Im Zusammenhang mit dem hundertjährigen Jubiläum vom Bauhaus haben wir überlegt, was können wir im Hotel Ellington tun, um das zu zelebrieren? Das um 1930 errichtete Gebäude in der Nürnberger Straße entstand unter dem Einfluss von Erich Mendelsohn im Stil der Neuen Sachlichkeit, einer Bauhaus-inspirierten Architekturrichtung. Kulinarisch haben wir ein Bauhaus-Gericht entworfen, das wir das ganze Jahr lang servieren. Der zweite Part Baustil hat damit zu tun, dass wir eine Veranstaltung mit Christian Bau hatten. Das ist ein ganz toller Wind in den Segeln.

Ist das Bauhaus-Gericht wie ein typisches Kunstwerk arrangiert?
Sachlich, modern und international sollte es sein. Die Zutaten sind international, die Präsentation ist modern und die Kombination ist eher sachlich. Das Arrangement ist in einem relativ schmalen Spektrum gehalten. Es soll auch zeigen, dass kulinarisch diese Stilistik darstellbar ist.

Ist das schon Kunst? Sie arbeiten mit geometrischen Figuren, mit Farben und Linien.
Kochen ist im weitesten Sinne eine Art von Kunst. Sicher ist bei diesem Teller der künstlerische Gedanke noch einmal verstärkt. Für Bauhaus gilt der Grundsatz und ging die Diskussion immer auch über das Handwerk als Utopie. Der Künstler ist die Steigerung des Handwerkers. Die Verbindung zwischen Handwerk und Kunst, das ist der Grundgedanke des Bauhauses, über Material, über Formen, über Farben, über Kombinationen. Das spiegelt sich alles in diesem Gericht auch wider.

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Ist es für Sie eine Ausnahmesituation einen derartigen Teller zu kreieren? Sie haben vorhin erzählt, dass 200 Mittagessen rausgegangen sind und 65 Lunch im Restaurant, dann ist heute Abend eine ganz gute Reservierungslage. Bleibt da noch Zeit für Kunst?
Es ist immer ein Balanceakt, den wir aushalten. Wir wollen alle Bereiche sehr, sehr gut bespielen. Das gilt fürs Bankett, genauso wie fürs Restaurant. Ich nehme mir schon die Zeit, wenn ich sie brauche. Das Restaurant hat auch eine sehr hohe Priorität im Haus. Ich habe eine sehr gute Crew, die alle enthusiastisch in ihren Bereichen stehen und operativ alle Belange des täglichen Geschäfts meistern.

Lässt so eine Struktur wie dieses Hotel auch einen Stern zu? Es gibt in Berlin kaum noch Häuser, die sich Sterneküche leisten wollen.
Ich bin zum Teil in Sterne-Restaurants großgeworden. Das ist ein Gebiet, wo ich mich zu Hause fühle, wo mein Herz schlägt. Man darf aber gleichzeitig nicht alles andere aus den Augen verlieren. Ich habe mich immer schon für alle anderen Bereiche interessiert. Jeder hat seinen Reiz.

Der Hotelbetrieb verlangt, dass man fast allen Ansprüchen der Gäste gerecht werden sollte. Wie ist das zu schaffen?
Wir haben Gäste im Restaurant und im Hotel mit unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen. Beiden müssen wir gerecht werden. Wir haben nicht zwei verschiedene Restaurants, sondern eines und deswegen auch die Lösung mit zwei verschiedenen Speisekarten. Einmal die Légère, das ist die entspannte, internationale Auswahl von bekannten Speisen. Das hat nichts mit der Qualität der Speisen zu tun, die ist bei allen sehr hoch. Und den Logique, mit Menü und À-la-carte-Auswahl, welche unser Restaurantkonzept repräsentiert. So sieht die Zukunft von gehobenen Restaurants aus, da gehe ich fest davon aus. Die Zeiten von acht Köchen und zwölf Gästen ist vorbei. Wir müssen heute in der Lage sein, viele Menschen zu erreichen. Doch gleichzeitig ist das breite Verständnis noch nicht da. Also servieren wir ein Wiener Schnitzel, ein Tatar und Caesar Salad genauso wie eine Miraltaube mit weißen und schwarzen Trüffeln – nur als Beispiel.

Noch mal zum Thema Stern – wäre das nicht auch ein Marketing-Tool?
Wir brauchen den Stern nicht als Marketing-Tool, um das Restaurant noch voller zu machen. Wir sind sehr gut besucht, gerade von Externen, also Nicht-Hotelgästen, was für ein Hotelrestaurant wichtig ist. Die Frage nach dem Stern wird mir öfter gestellt. Wir haben auch ein sehr gutes Feedback von den Gästen, die unsere Arbeit schätzen. Wir haben es in letzter Konsequenz nicht zu entscheiden, aber ich finde, dass wir einen Stern wert sind.

Steht da nicht diese Zweiteilung, die Trennung von Mittag und Abend im Wege? Verwässert der Lunch nicht den Eindruck des Abend-Restaurants?
Wir bieten mittags ganz klassisch ein Businesslunch an, einfach und frisch zubereitet, wöchentlich wechselnd. Wir machen damit ein sehr gutes Geschäft. Aus welchem Grund sollte ich das aufs Spiel setzen? Man muss sich die Frage stellen: Was will jemand, der mittags essen geht? Das ist jemand, der vielleicht aus einem Büro kommt und sich hier mit Mandanten, Kunden und Geschäftspartnern trifft. Die wollen sehr gut und relativ schnell essen, auch nicht zu teuer. Wer geht heute noch für 100 Euro lunchen? Vielleicht macht man das mal, aber nicht ständig. Wir haben Gäste, die kommen jeden Tag zu uns. Es gibt natürlich zum Lunch keine Röllchen oder Tupfen, sondern es gibt zum Beispiel eine kleine Vorspeisensuppe, manchmal mit einem kleinen Augenzwinkern dabei, ein gut geschmortes Stück Fleisch mit einer frisch zubereiteten Beilage sowie einer guten Sauce. Das ist genau das, warum die Leute hierher kommen.

Die Küche im Ellington ist in verschiedene Abteilungen aufgeteilt?
Jeder Bereich hat seine Spezialisten. Für Frühstück, Bankett, Duke Lunch und Duke Dinner haben wir uns jeweils in eigenen Teams organisiert und jeder hat seine Zuständigkeiten. Wir sind insgesamt 40 Mitarbeiter. Jeder hat seine Vorlieben und eine Idee von seinem Tagesablauf und die kann er vom Prinzip her frei gestalten.

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Sie setzen Ihre Mitarbeiter je nach Fähigkeiten und Motivation ein?
Wir suchen explizit Leute für bestimmte Positionen. Es kann auch mal sein, dass jemand sagt, er würde gerne auch mal abends probieren. Wenn er z.B. zwei Jahre bei uns im Tagesgeschäft ist, dann trauen wir ihm das zu und er muss sich dann in diesem Bereich wieder neu beweisen.

Sie haben ein sehr gutes Netzwerk. Zwei bis drei Mal im Jahr arbeiten Sie mit Köchen aus anderen Restaurants und anderen Städten zusammen.
Wir hatten auch mal mit Stefan Hermann aus dem Dresdner „Bean & Beluga“ oder mit Johannes King aus Sylt eine Veranstaltung. Jetzt hatten wir Christian Bau im Haus und waren aus dem Häuschen. Herr Bau hat nicht ganz so viele Veranstaltungen übers Jahr verteilt, wo er aushäusig arbeitet. Da kann man schon zufrieden sein, wenn man eine Station davon sein darf.

Hat es dann auch so einen Nachhall für Sie, wenn so ein Event stattgefunden hat?
Diese Veranstaltung mit Christian wird keiner jemals vergessen. Das ist schon eine Besonderheit, gerade auch für die jungen Köche und für die Auszubildenden. Die haben diesen Kontakt zu diesen Größen noch nicht. Für die ist es ein ganz besonderer Tag. Wir nutzen die Veranstaltung nicht, um uns Techniken und Fertigkeiten abzuschauen. Wir haben mit den Jahren unseren eigenen Stil entwickelt. Wir wollen nicht irgendwas nachäffen. Wir messen uns nicht mit einem Drei-Sterne-Koch, das ist völlig klar, sondern wir wollen unsere Gäste begeistern.

Sie selbst sind auch außerhalb des Hauses unterwegs. Was bringt das für Vorteile?
Das gebietet schon die Höflichkeit. Wenn wir als Gastgeber Köche zu uns holen, dann revanchieren wir uns mit einem Gegenbesuch. Das ist auch immer ein kleiner Betriebsausflug: Mal aus den eigenen vier Wänden hinausgehen und ein bisschen andere Eindrücke sammeln, Kollegen treffen, etwas fachsimpeln und zeigen, was wir machen sowie einen neuen Gästekreis erschließen.

Ist es eigentlich in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, dieses Miteinander der Küchenchefs?
Das ist immer wichtig. Mit den Jahren entwickelt sich das. Ich habe früher in Amerika gearbeitet, gemeinsam mit fünf, sechs Deutschen. Die sind jetzt in ganz Deutschland verstreut. Einer ist in New York geblieben, der hat eine Bäckerei in Brooklyn. Einer ist auf dem Schiff. Matthias Gfrörer ist mein bester Kumpel über die Jahre geworden, der hat ein Biorestaurant in Tangstedt. Über drei Ecken sieht man sich dann auf einer Veranstaltung wieder.

Thema Fachkräftemangel: Habt ihr darunter zu leiden?
Das ist zur Zeit die Realität. Man muss heute anders mit Mitarbeitern umgehen als noch vor zehn Jahren. Für mich ist es wichtig, Leute zu halten und im Idealfall lange zu binden. Auch muss ich eine Personaldecke haben, um Phasen, bei denen die Suche länger dauert als früher, zu überbrücken.

Sind solche Festivals wie eat!Berlin und das Event mit Bau motivierend für das Team? Braucht Berlin noch mehr solcher Events?
Aus dem Event mit Christian Bau gehen wir mit einem ganz besonderen Gefühl, es war hoch motivierend und außergewöhnlich! Ich verfolge immer das Prinzip: Wenn es so etwas gibt, dann richtig und dann lieber nur eins. Die Frage ist, ob Platz für fünf ist, ob das Sinn macht. Der Berlinpolitik ist ja nun klar geworden, was die Gastronomie heute an Wirtschaftsfaktor und an Attraktivität für die Stadt bedeutet.

Restaurant Duke im Ellington
Nürnberger Straße 50-55, Schöneberg, Tel. 030 68 315-4000, www.ellington-hotel.com