Fotos: Selina Schrader Aufmacher Iris Baugatz
Iris Baugatz

„Nichts ist so stetig wie die Veränderung“

Hoteldirektorin Iris Baugatz hat ihren ganz eigenen Führungstil. Sie hat dem Hotel am Steinplatz einen zeitgemäßen individuellen Charakter verpasst. Gemeinsam mit ihrem Team macht sie das Hotel zu einer der innovativsten Adressen Berlins

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Wie lange sind Sie schon in Berlin?
Iris Baugatz: Im April 2013 habe ich hier am Steinplatz meine Arbeit begonnen. Es war mein dritter Besuch, meine dritte Berlinreise. Eröffnet haben wir das Haus dann im Dezember 2013.

Wo waren Sie vorher?
Ich bin sozusagen ein Marriott-Kind. (lacht) Ich bin seit über 20 Jahren dabei. Ich war Teil der Konzern-Zentrale in Eschborn. Habe im Verkauf und Marketing gearbeitet und 30 Hotels dabei unterstützt, erfolgreich zu sein.

Marriott heißt die Dachmarke. Darunter versammeln sich verschiedene Hoteltypen. Sie haben also bestimmte Typen von Hotels und dafür auch bestimmte Zielgruppen, die Sie angesprochen haben.
Ganz genau.

Und dieses Hotel hier? Ist das eine Ausnahmeerscheinung? Oder besser gesagt, der Anfang eines neuen erfolgreichen Typus eines Marriott-Hotels?
Das haben Sie schön gesagt! (lacht) Da muss ich gar nichts hinzufügen. Unserer Firma gehören insgesamt 30 Hotel-Marken an. Und Autograph Collection Hotels, zu der unser Haus gehört, sind etwas Besonderes. Das, was alle Häuser vereint, ist, dass alle Häuser unterschiedlich sind. Jedes hat seine eigene Identität, seine eigene Philosophie, und Autograph heißt übersetzt Original-Handschrift, also hat jedes Hotel dieser Kategorie seine eigene Handschrift. Das bedeutet, dass alles, was heute da ist, wir uns zusammen mit dem Team überlegen und umsetzen durften. Wir hatten alle Freiheiten.

Iris Baugatz 1

Sie haben von Anbeginn auf junge Talente, auf ein junges Team gesetzt. Ist das nicht auch riskant?
Das Risiko ist definitiv da. Ich lasse den Mitarbeitern sehr viel Freiheit und setze großes Vertrauen in ihre Talente. Das ist Teil des Erfolges. Aber das bedeutet natürlich nicht unbedingt, dass diese Talente ihr Leben lang in diesem Haus bleiben. Ich glaube, die Zeiten, dass jemand 20 Jahre bei einem Arbeitgeber bleibt – so wie ich, ich bin ja ein bisschen älter (lacht) – sind heutzutage vorbei.

Konkret heißt das, erfolgreiche junge Talente ziehen weiter.
Gerade wenn es es junge und sehr ambitionierte Talente sind. Der Barchef Christian Gentemann hat dieses Haus mit mir zusammen eröffnet. Er ist sechs Jahre lang am Steinplatz gewesen und hat sehr viel erreicht, für sich persönlich aber auch für das Haus. Als Beispiel und Beweis seines Könnens: Zwei Mal Hotelbar des Jahres in Folge. Das ist noch nie dagewesen. Es ist dann einerseits okay, andererseits aber auch sehr schade, wenn er nach sechs Jahren eine neue Opportunity außerhalb der Bar sucht. Ich bedauere das, auch persönlich, es ist ein großer Verlust, aber es ist der richtige Weg für ihn.
Dann hat unser Küchenchef Nicholas Hahn zweieinhalb extrem erfolgreiche Jahre hier am Steinplatz verbracht. Was der junge Mann alles erreicht hat: Aufsteiger des Jahres 2018 der Berliner Meisterköche. Und er hat 16 Gault-Millau-Punkte mit seinem Team erreicht, das ist beeindruckend. Da muss er auch dranbleiben. Das möchte er ausbauen, er hat ein ganz klares Karriereziel vor Augen. Und wieder ist es schade, aber auch nachzuvollziehen, dass er mit seinen Ambitionen woanders seine Erfahrungen sammeln möchte.
Genauso wie Nico Böttcher, ein unheimlich toller Gastgeber und Sommelier, ein ganz großes Talent. Aber Mensch, der Junge ist 25! Ich konnte das nie glauben. Der ist natürlich jung und hungrig und möchte sich auch nochmal auf anderen Spielfeldern ausleben. Zusammenfassend: Die jungen Leute wollen weiterziehen und noch was erreichen.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie dieser jungen Generation eine Spielfläche bieten, damit sie sich ausprobieren und neue Ideen umsetzen können?
Absolut! Es gibt ja diese vielzitierte Herausforderung, Leute zu finden, also der Fachkräfte­mangel. Klar merken auch wir, dass es schwieriger wird. Aber uns fällt es immer noch vergleichsweise leicht, neue Mitarbeiter zu finden. Es hat einfach damit zu tun, dass die Leute von außen uns sechs Jahre beobachten und wissen, dass sie hier die Freiheit haben, ihre Visionen und ihre Ideen auszuleben. Na klar gibt es gewisse Vorgaben. Wir sind alle dafür da, um erfolgreich zu sein. Aber wir brauchen hier keine Menschen, die Dienst nach Vorschrift machen. Das ist unsere Stärke, das ist attraktiv für junge Talente. Das ist eine Philosophie, zu der ich stehe und die ich auch in Zukunft so weiterführen werde.

Es gibt ja auch schon eine Neubesetzung, der neue Barchef ist gefunden.
Ja, der Willi Bittorf. Da freue ich mich unheimlich. Willi Bittorf ist seit April Teil dieses Teams. Wir haben ihn schon mit einem gewissen Hintergedanken eingestellt. Er ist seit September offiziell der Chef der Bar und gibt richtig gut Gas. Er ist ein Berliner Junge, er kennt den Berliner Markt ganz gut. Und was mich vor allem übezeugt, er war vier Jahre in London, bei Mosimann’s Private Member Club und der Gong Bar im Shangri-La Hotel. Aus London kommen sehr viele Trends. Die Barszene und deren Mixologen sind weltweit bekannt. Willi Bittorf hat dort viele Erfahrungen gesammelt und er wird hier auch wieder für neuen Auftrieb sorgen. Da bin ich mir ganz sicher.

Also die Philosophie dieser Barkultur, die Mixologie, führt er hier auch weiter.
Ja, ein Wechsel ist gang und gäbe heutzutage, aber wofür der Steinplatz immer stehen wird, sind innovative Konzepte und dass man Neues ausprobiert. Dass man Dinge realisiert, die sich sonst keiner traut. Wie den Gin aus einer Bar eleminieren, das ist schon ein extrem mutiger Schritt gewesen, den wir da gegangen sind. Oder den Champagner als Luxushotel von der Karte zu nehmen, auch das war ein mutiger Schritt. Aber der Erfolg gibt uns recht, dass das der richtige Weg ist.

Die Trinkkultur habt ihr mit „Die klaren Drinks“ ganz schön nach vorne gebracht. Oder mit „Secret Grapes“, wo ihr den deutschen Sekt wieder in den Vordergrund gerückt habt. Aber was passiert denn jetzt in der Küche?
Erst einmal muss ich sagen, dass ich mich freue, wie viele Bewerbungen reinkommen. Das nehme ich auch durchaus als Kompliment für das Haus, dass der Steinplatz also eine attraktive kulinarische Spielfläche ist. Viele Bewerbungen bedeuten aber auch, dass ich mir unbedingt die Zeit nehmen möchte, mir möglichst viele Kandidaten anzuschauen. Das ist eine Key-Position und da möchte ich möglichst viele der Bewerber sehen. Ich weiß, dass sich viele Leute fragen, wer wird denn jetzt Küchenchef im Hotel am Steinplatz? Aber ich bin und bleibe entspannt. Ich hab ein tolles Team, das Kontinuität beweist und garantiert. Ich werde mit dem Team eine Entscheidung treffen.

Aber Sie werden bei Ihrer Linie bleiben, dass Sie einzelne Charaktere fördern? Man könnte ja auch nach den letzten Erfahrungen sagen, es dreht sich nicht mehr um Personen, wir steuern alles über das Label?
Das schließe ich in aller Deutlichkeit aus. Ich führe dieses Haus seit sechs Jahren und es ist mir immer wichtig gewesen, ein Haus für die Berliner zu sein und da spielt die Kulinarik eine sehr wichtige Rolle. Und die Kulinarik muss für die Berliner einfach spannend bleiben. Wie gesagt, Dienst nach Vorschrift gibt es am Steinplatz nicht. Ich brauche Mitarbeiter, die eine klare Idee haben, ich möchte nicht vorgeben, was hier auf den Teller kommt. Ich möchte tolle Charaktere mit einer Vision und einer tollen Handschrift auswählen, die den Steinplatz weiterhin spannend und innovativ machen. Und die werde ich auch finden. (lacht)

Iris Baugatz 2

Sie sind jetzt sechs Jahre hier und man könnte meinen, dass Sie ewig so weitermachen. Ich habe aber gehört, dass einige Veränderungen anstehen. Können Sie darüber vielleicht ein paar Andeutungen machen?
Wir sind nicht nur bestrebt, tolle Charaktere zu finden und zu halten, oder permanent tolle Inhalte wie „Macht Sekt wieder groß“ zu schaffen, um die Berliner ins Haus zu holen, sondern es ist auch wichtig, in anderen Bereichen Schritt zu halten, also was z.B. das Interieur im Restaurant und in der Bar betrifft. Da haben wir einige Gedanken und Pläne, die wir in 2020/21 umsetzen werden. Berlin ist so ein dynamischer Markt, tagtäglich kommen neue spannende Marktbegleiter dazu. Das Haus hat sich ein bisschen verändert, wir lernen dazu, wir lernen neue Dinge. Also auch vom Design wird sich ein bisschen was verändern. „Bisschen“ ist vielleicht falsch gesagt.

Also ein bisschen mehr?
Ja, ein bisschen mehr.

Ariel Schiff vom Hotel Amano sagt, man muss als Hotelier eigentlich ständig am Ball bleiben. Es geht nicht, dass du ein Hotel etablierst, die Türen aufmachst und dann hast du Erfolg. Die Zeit fordert von dir immer wieder Offenheit und Dazulernen.
Das kann ich nur bestätigen. Gerade auf einem Markt wie Berlin, der so dynamisch ist. Man darf sich nicht zurücklehnen und denken, jetzt läuft alles. An jedem Tag muss man 150 Prozent bringen. Und weswegen wir nach sechs Jahren – in aller Bescheidenheit – ein bisschen was erreicht haben auf dem Berliner Markt, das liegt eben auch daran, dass wir uns auch permanent hinterfragen und dass wir permanent neue Inhalte bringen, die spannend sind für diesen Markt. Wir werden uns also definitiv nicht ausruhen und können uns auch nicht ausruhen auf dem, was wir sind.

Wieviel Freizeit haben Sie eigentlich noch als Chefin dieses Hauses?
Naja. (lacht) Ich bin schon Vollblut-Hotelier, das kann man nicht anders sagen. Mein Herz hängt an diesem Haus und für dieses Haus gebe ich auch super viel. Aber das bedeutet auch – nichts ist so stetig wie die Veränderung –, dass man mal Zeit braucht, um zur Ruhe zu kommen und den Kopf frei zu haben für neue Dinge. Ich bin nicht besonders gut im Bereich „Work-Life-Balance“, aber ich arbeite daran. (lacht)

Woher holen Sie Ihre Inspirationen?
Ich bin ja ein sehr großer Südafrika-Fan, ich habe vor zwölf Jahren angefangen, das Land zu bereisen und finde es auch kulinarisch spannend. Ich glaube, mein Team kann die Bilder, die ich von meinen Restaurant- und Barbesuchen schicke, schon nicht mehr sehen. (lacht) Für mich ist Südafrika ein unheimlich spannendes Reiseland, aber auch ein großer Ruhepol und eine große Inspirationsquelle.

Hotel am Steinplatz
Steinplatz 4, Charlottenburg, Tel. 030 55 4444 0, www.hotelsteinplatz.com