Fotos: Selina Schrader Aufmacher Stefan Franzke
Stefan Franzke

„Diese Resilienz gehört zu Berlin dazu“

Stefan Franzke wirbt als Geschäftsführer von Berlin Partner für den wachsenden Wirtschafts- und Technologiestandort Berlin. Er und sein Team veranstalten jedes Jahr die Gala der Berliner Meisterköche. Wie sieht er die aktuelle Berliner Situation der Gastronomie und welche Rolle spielt sie weltweit? Getroffen haben wir uns auf der weitläufigen Terrasse vom Café Kranzler. Mit dem nötigen Abstand und mit Maske!

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Die Berliner Meisterköche purzeln ja gerade einer nach dem anderen in Berlin ...
Stefan Franzke: Ja, was ist denn los?

Na, das wollte ich von Ihnen wissen. (lacht)
Björn Swanson, Meisterkoch 2019, ist nicht mehr bei der Arbeit. Florian Glauert, ehemaliger Küchendirektor vom Ellington und dem Restaurant Duke sowie bewährter Koordinator der Meisterkoch-Gala ist weg. Und Martin Müller, Aufsteiger 2018, arbeitet auch nicht mehr im Tisk.

Mich hat das mit Björn Swanson auch sehr überrascht, als ich das gelesen habe. Ich habe ihm auf Facebook geschrieben, dass er Berlin erhalten bleiben muss.

Und Florian Glauert ist ja für Berlin Partner und die Gala der Meisterköche ...
... immer eine feste Größe, auf jeden Fall. Wir haben es ja jedes Jahr mit neuen Menschen zu tun, die außerhalb ihres Restaurants die Berlin Partner bekochen, in einem Umfang, den die allermeisten nicht gewohnt sind. 500 Essen gleichzeitig ’rausbringen ist immer eine Herausforderung für jeden. Florian Glauert hilft in der Vorbereitung, weil er das Format sehr gut kennt.

Und Martin Müller war eigentlich in Neukölln mit dem Tisk eine Art Vorreiter für gute Berliner Küche.
Ja. Aber vielleicht hat das ja auch damit etwas zu tun, dass die Berliner Gastronomie durch die Vielzahl an Prämierungen nun endlich aus den Kinderschuhen herausgewachsen ist. Wenn wir daran denken, dass vor Corona der dritte Stern ins Rutz gegangen ist, führt das vielleicht auch dazu, dass man selbstbewusster wird und man sich vielleicht auch selber verwirklichen möchte. Und nicht mehr nur das macht, was vielleicht der Geldgeber möchte.

Wenn ein Koch ein Level erreicht hat, möchte er sich nicht mehr nach unten orientieren. Als Spitzenkoch muss man schon darauf achten, dass die Karriere und das, was man erreicht hat, erhalten bleibt.
Ja, oder sie machen etwas Neues. Wie z.B. ein Berliner Meisterkoch wie Herr Kammeier, der mit dem „Cord“ etwas Neues aufmacht und sich sozusagen den Sternen entsagt, aber trotzdem für die hiesige Gastroszene wichtig bleibt.

Stefan Franzke

Die aktuelle Situation der Gastronomie ist bei weitem nicht lustig. Die Umsätze sprechen für sich.
Ja, das ist teils dramatisch. Aber hier kann jeder helfen und sein Lieblingsrestaurant besuchen. Oder etwas Neues ausprobieren. Ich habe damit auch schon angefangen und kann sagen: Es lohnt sich.

Zurück zu den Meisterköchen. Vielleicht sollten wir das noch mal erklären. Verrufen war diese Initiave ja mal als Event von Berlin Partner für seinen ehemaligen Geschäftsführer Volker Hassemer. Heute hat sich das ja zu etwas ganz Anderem etabliert.
Ich habe das auch mal gehört, dass es vor 25 Jahren gegründet wurde, um die Weihnachtsfeier von Berlin Partner zu unterstützen. Aber von dieser Anekdote haben wir uns sehr weit entfernt. Es geht darum, die Gastronomie zu würdigen und ins Scheinwerferlicht zu rücken. Die Gastronomie in Berlin ist extrem wichtig. Und nach über 25 Jahren ist deutlich, dass wir ausgezeichnete Gastronomen haben, die sehr vielfältig aus der ganzen Welt Food nach Berlin holen und selber eigene Trends setzen. Die hiesige Gastronomie ist fantastisch geworden – und, das muss man ja auch sagen, zu moderaten Preisen, wenn man das mal mit Süddeutschland oder Frankreich vergleicht.

Bei Berlin Partner geht es nicht nur um touristische Aspekte.
Neben dem wichtigen Faktor für die touristische Wirtschaft geht es uns um Ansiedlung von Unternehmen. Diese haben unterschiedliche Wünsche, wie z.B. internationale Schulen für ihre Kinder, aber auch, wenn sie privat oder geschäftlich Essen gehen, eine vernünftige und auch repräsentative Küche. Und das haben wir in Berlin. Das ist wichtig.

Sie haben gerade zwei wichtige Punkte angesprochen: Wirtschaft und Tourismus. Berlin Partner und Visit Berlin werden immer in einen Topf geworfen, weil keiner so richtig durchblickt, wer jetzt für was zuständig ist.
Wir haben zwei Gesellschaften in Berlin, die dafür sorgen, dass Berlin weltweit auf dem Radarschirm ist. Visit Berlin, mit dem Kollegen Burkhard Kieker und seinem Team, kümmert sich darum, dass Touristinnen und Touristen nach Berlin kommen. Dass also kommuniziert wird, wenn z.B. die Pride Week stattfindet oder der Zoo neue Tiere wie die Pandabären hat, sodass dann aus der ganzen Welt die Touristen zu uns kommen. Sie arbeiten eng mit den Anbietern von Sehenswürdigkeiten zusammen und mit den Gastronomen und den Hotelbetrieben. Zudem gibt es Berlin Partner. Wir sind dafür zuständig, dass Berlin als Wirtschaftsstandort weltweit vermarktet wird. Wir sorgen dafür, dass die Hauptstadt attraktiv ist für Tesla und für viele Andere. Und dabei arbeiten wir natürlich eng zusammen mit Visit Berlin, sodass wir wirklich einmal in der Woche Telefonkonferenzen haben – früher waren das persönliche Treffen –, bei denen wir diskutieren, wie wir gemeinsam mehr für Berlin erreichen können.

Zur Zeit ist der eigentliche Job, nämlich internationale Kontakte zu knüpfen, schwer möglich.
Wir haben, wenn wir ins Detail gehen, vier Säulen, die wir bearbeiten.
Die eine ist das Marketing nach außen. Das haben wir jetzt während der Corona-Krise komplett zur Krisenkommunikation verändert. Die großen Out-of-Home-Displays mit den Abstandsregeln haben wir im Auftrag des Landes in das Stadtbild gebracht. Oder auch die Postwurfsendungen des Regierenden Bürgermeisters an die zwei Millionen Haushalte haben wir organisiert. Jetzt sind wir nach neun Wochen Shutdown so weit, dass wir langsam wieder anfangen, in das normale Marketing ’reinzugehen.
Die zweite Säule ist, dass wir Unternehmen ansiedeln. Da muss man sagen – und das ist vielleicht trotz allem eine positive Nachricht – dass uns kein Investor abgesprungen ist. Die Projekte sind verzögert, aber die Investitionen gehen weiter. Natürlich ist es dadurch, dass wir nicht weltweit unterwegs sein können, nicht einfach, neue Projekte zu akquirieren. Aber selbst in der Corona-Krise haben wir Unternehmen, die Gewinner sind. Seien es die ganzen E-Commercler oder Anbieter von Rechenzentren, die in die Stadt wollen. Selbst da haben wir neue Projekte akquiriert.
Die dritte ist, dass wir den bestehenden Unternehmen helfen, indem wir mit den Förderbanken zusammenarbeiten. Wir beraten auch den Berliner Senat, wie Fördermittel konzipiert sein können, wie Öffnungen stattfinden können, weil ja gerade die Gastronomie oder der gesamte Veranstaltungsbereich arg gebeutelt ist. Und wenn man weiß, dass 90 Prozent aller Veranstaltungen kleiner als 100 Personen sind, dann ist es natürlich wichtig, dass kleinere Veranstaltungen – wenn möglich und unter gesundheitlichen Gesichtspunkten – auch wieder aufgemacht werden können. Darüber wird übrigens auch gerade im Senat gesprochen.
Und die vierte Säule ist das Innovationsmanagement, um die Unternehmen fitter zu machen, durch eine enge Zusammenarbeit mit den Hochschulen – das läuft weiter.

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Durch die Präsenz und Lautstärke der Gastronomie und Hotellerie in der Krise könnte man denken, die Stadt Berlin würde als Wirtschaftsfaktor nur durch sie überleben.
Die Gastronomie und die Touristik waren natürlich mit am stärksten von den Maßnahmen betroffen. Und wenn man bedenkt, dass im Januar und im Februar die allermeisten Leute gesagt haben, „das wird ein fantastisches Jahr, wir haben die Umsätze von vor einem Jahr übertroffen“, dann sieht man, dass sie in vollem Sprint gegen die Wand gelaufen sind. Man konnte sich das alles nicht vorstellen und viele waren auch nicht darauf vorbereitet. Sie hatten nicht bedacht, was passiert eigentlich, wenn sie ein, zwei oder drei Monate kein Einkommen haben. Das ist im Industriebereich eher der Fall. Oder beim Gärtner. Der weiß, wenn es mal einen strengen Winter gibt mit drei Monaten Frost, dann habe ich keine Aufträge. Der hat das eingepreist in seinem Geschäftsmodell. Das ist bei den Gastronomen weniger der Fall gewesen, wie wir jetzt feststellen. Und deswegen war man da, glaube ich, umso lauter. Es hat die Branche voll getroffen. Die Gastronomen waren auch besonders laut, weil sie nicht gesehen haben, dass sich der Berliner Senat um sie kümmert – ein Kommunikationsproblem. Das ist erkannt und gelöst worden, indem man dann sogenannte Runde Tische gemacht hat.

Die Gastronomie hat sich viel einfallen lassen und zweite Standbeine durch neue Karten oder andere Ideen aufgebaut. Ist das typisch für Berlin?
Diese Resilienz gehört zu Berlin dazu. Es ändern sich die Rahmenbedingungen – und dann nicht lange überlegen, sondern einfach machen. Das kann man wunderbar in Berlin beobachten. Es gibt so viele neue Services, das ist schon fantastisch. Leute, die jetzt einen Lieferservice haben oder andere, die Kochvideos produzieren. Oder Meet & Eat, das wir bei Berlin Partner auch selbst gemacht haben. Der Caterer hat das gleiche Essen an fünf verschiedene Orte geliefert und wir haben digital zu fünft gemeinsam zu Mittag gegessen. Das hätte man doch Anfang März noch nicht gedacht, dass so etwas möglich ist. Das ist doch klasse. Und ich glaube, das ist tatsächlich typisch für Berlin.

Kommen wir zurück zu den Meisterköchen mit der Gala und der anschließenden Party, die im November stattfinden sollte.
Dass wir die Party so nicht feiern können, wie wir das sonst mögen, das ist klar. Wir waren uns alle miteinander in der Jury einig, wie schwierig es ist, unter den jetzigen Umständen überhaupt zu kritisieren und zu bewerten. Eigentlich müsste man ja jedem Gastronomen, der aus dieser Krise herauskommt, einen Preis verleihen. Wir warten jetzt mal ein paar Wochen ab, denn wir sind genauso resilient und kreativ. Und wenn wir nicht die eine große Gala machen können, stellt sich die Frage, ob wir nicht viele kleine machen können. Wir wollen anerkennen und auszeichnen. Aber nicht so, wie in den letzten Jahren.

Berlin Partner und die Meisterköche
www.berlin-partner.de

Dort finden Sie auch die gesammelten Rezepte von Preisträgerinnen und Preisträgern der Berliner Meisterköche aus den Jahren 2014-2019