Foto: Anke Sademann im Café Schuh Aufmacher Bad Gastein, Österreich
Bad Gastein, Österreich

Bad Gastein liegt im Nationalpark Hohe Tauern. Einst mondäner Welt-Luftkurort in der k.u.k.-Zeit gaben sich hier alle Prominenzen der Jahrhundertwende bis Ende der 90er die Klinken in die Hand. Eine Millionen Liter bestes Thermalwasser fließen täglich aus den Bergquellen ins Tal in die Bäder und teilen als imposanter Wasserfall die Stadt. Ein morbider Charme zwischen Verfall und Aufbruchstimmung hat sich in 20 Jahren breitgemacht. Anke Sademann begibt sich auf Fährtensuche und trifft auf Berliner Wahl-Bad-Gasteiner und Alteingesessene

Süßer Schuh auf der Kaiserpromenade

Der wohl bekannteste Berliner war der gute Kaiser Wilhelm v. Preußen. Ihm wurde die gleichnamige Promenade gewidmet. Sie beginnt im Ortskern und endet beim Hoteldorf Grüner Baum im Kötschachtal. Eine Abzweigung führt vorbei an seinem Denkmal, herrschaftlichen Villen und Kaiserhof auf den Gasteiner Höhenweg. Der süße Stop im Café Schuh ist Programm. Frisch renoviert hat es sich mit seinen Wiener-Kaffeehaus-Tapeten und -Stoffen seine nostalgische Anmutung bewahrt. Die Nase an der Vitrine des Kuchenbuffets plattzudrücken und zwischen Apfel-, Topfenstrudel und Sachertorte zu wählen ist die Devise. Der Riesengermknödel mit Powidl (Pflaumenmus) und gezuckerter Mohnbutter ist ein Gedicht.

Der Kaffee schmeckt nach Italien. Denn Remo de Joris aus Aquila betreibt das Schuh seit 38 Jahren. Seine vor kurzem verstorbene Frau Erika Cink war Wiener Meisterkonditorin. Früher war das Stammhaus am Straubingerplatz und sollte von der Wirte-Tochter und späteren Schauspielerin Christiane Hörbinger übernommen werden. Daraus wurde nichts und Erika bekam die Pacht. Als junger Kellner hatte Joris in vielen historischen Kaffeehäusern gearbeitet (seine Fotos hängen im Café) und kam zu seiner Liebe 1983 nach Bad Gastein. In den 90ern zog das Café hoch auf die Kaiser-Wilhelm-Promenade.

Café Schuh
Kaiser-Wilhelm-Promenade 9, 5640 Bad Gastein, Tel. +43 64 34 62 69, tgl. 10-18.30 Uhr, Kaffee ab 2,80 €, Glas Wein ab 2,70 €, alle Strudel und Sachertorte 3,50 €


Fotos: Klaus Vyhnalek Rudolfshöhe 1
Rudolfshöhe 2

Raus aus Berlin - rauf auf die Berge

Als Olaf Krohne seinem Kumpel Jan Breus von einer „hässlichen, leerstehenden alten Bude auf’m Berg“ erzählt, war der sofort begeistert. Für Lebenspartner Stefan Turowski hingegen war die Idee, das über 600 Jahre alte Waldhaus Rudolfshöhe zu betreiben, zunächst unvorstellbar. Aber die beiden Berliner haben es getan: Vor vier Jahren fand die Verwandlung der ehemaligen Pferde-Raststation statt. Der weite Talblick aus 1200 Meter Höhe und die gute Luft sind die einen, ihr Händchen für Landhaus-Design und Easy-Going-Umgangsformen die anderen Erfolgszutaten. Im Sommer auf der Terrasse an der orangenen Tafel zu dinieren und im Winter im Panorama-Kaminzimmer den Feuer-Duft zu schnuppern, schmeckt und erdet. Vier individuell gestylte Zimmer beherbergen Stadtmüde, die treu in das abgeschiedene Design-Waldhaus pilgern.

Man spürt im Detail, dass die Aussiedler eine Zwei-Mann-Einheit bilden: Ex-Medien-Mann Turowski ist der in sich ruhende Gastgeber, Ex-Mode-Mann Breus der Quirlig-Kreative, der seine Kochleidenschaft hier entdeckte. Das „Jan’s Table“-Konzept ohne Speisekarte ist Soulkitchen, darf auch mal chaotisch sein. Morgens klappert er die Höfe für Zutaten ab, ergänzt diese mit Außerregionalem. Das Drei-Gänge-Überraschungsmenü: Ein feines Potpourri. Auf Burrata im Grapefruit-Bett mit Kardamomsalz folgt geflämmte Wassermelone, Sauerkrautstrudel und Kräutersaibling. Das stundenlang marinierte Schwein schwimmt zart in einer Geheimsauce. Die Pavlova mit Mascarpone, Meringue und Beeren – ein Familienrezept.

Waldhaus Rudolfshöhe
Hardtweg 1, 5640 Bad Gastein, www.rudolfshoehe.at, Do-So ab 12 Uhr, Drei Gänge-Menü ab 30 €, Bier ab 3,50 €, Glas Wein ab 4,50 €, Zimmer ab 160 € (inkl. spätes Biofrühstück)


Foto: Anke Sademann Wirtshaus Lutter & Wegner

Doppelgänger am Wasserfall

Die Villa Solitude ist nicht nur wegen der grandiosen Aussicht auf Kurort und Wasserfall das „erste Haus“ am Platz. Erbaut wurde das Herrenhaus im „k.u.k.-Stil“ 1838 von Baron von Mesnil für eine wilhelminische Hofdame. Vor 200 Jahre verkehrten hier kaiserlichen Jagdgesellschaften. In den neun historischen Hotelzimmern des ältesten Haus Bad Gasteins scheint die Zeit still zu stehen. Im angrenzenden Restaurant gibt es ein Déjà-vu. Die Berliner Weinhandlung Lutter & Wegner hat einen Doppelgänger: Wahlberliner und Gastronom-Mogul Josef Laggner hatte sich mit dem Kauf vor vier Jahren einen Kindheitstraum erfüllt. Der gebürtige Gasteiner hat die Institution des Riesling-Sekt-Erfinders einfach nochmal kopiert.

Das Café Kraftwerk am Fuße des Wasserfalls gehört ihm auch. Ein Fußweg führt nach oben – ein Drahtseillift nach unten. Wenn der umtriebige Geschäftsmann zum Ruhe finden vorbeikommt, sitzt er am Stammtisch, trinkt eine seiner vier Hausmarken (z.B. Siegfried Riesling) und schaut bewegt ins Tal seiner Kindheit. Chefkoch Werner Thanner kommt aus der Wachau, hat Stationen in England, Irland und Salzburg durchkocht – seit drei Jahren ist er im L&W heimisch. Neben lokalen Spezialitäten wie Schweinswangerl und Kalbsbeuschel bringt er Innovationen wie Hirschburger im Laugenweck mit Cheddarkäsen und roter Zwiebelmarmelade auf die Teller. Und die Matcha-Crème-brûlée mit Eierlikör und das Heidelbeersorbet mit Mohnzwieback sind deliziös.

Wirtshaus Lutter & Wegner
im Hotel Villa Solitude, Kaiser-Franz-Josef-Straße 16, 5640 Bad Gastein, www.villasolitude.com, Di-So 12-22 Uhr (im Sommer), Suppe ab 7 €, Vorspeisen 10 €, Hauptspeise ab 13 €, Dessert ab 6 €, Wein ab 4 €, Halbpension mit Frühstück und Abendessen für 45 € p.P.


Foto: Benedikt von Loebell Windischgrätzhöhe

Almpop in windiger Höhe

Wenn eine Gastronomie-Spürnase wie Eva-Miriam Gerstner mit einem angesagten Sommelier den verwaisten Almgasthof „Windisch­grätzhöhe“ auf 1300 Meter Höhe wiederbelebt, riecht das neben Bergluft nach Potenzial. Gerstner hatte das Berliner Hotel Q konzipiert und geleitet, arbeitet heute parallel noch als Hospitality Consultant in Berlin. Ihr Gefährte, der Franzose Emmanuel Rosier, hatte nach einer Dekade in Neuseeland in der Berliner Cordobar und im Katz Orange gearbeitet. Seit Ende 2018 pendelt das Paar zwischen Haupt­stadt und Gastein und hat gerade auch noch eine Pop-up-Tagesbar mit Wein-Shop im alten Badehaus am Straubingerplatz eröffnet.

Der Hunger nach umtriebigem Stadtleben wirkt gebändigt, obwohl noch viele Ideen im Raum stehen. Das Konzept: „Alm Food Family Style“-Bergromantik trifft auf urbanen „Alpen Pop“. Wie früher üblich wird aus einem Topf gegessen. Dass Traditions-Gerichte auch mit Asia-Twist serviert werden, hat einen Grund: Der Vorarlberger Florian Speckle (Foto) hat zwischen Sylt und Asien kochen gelernt – Intuition trifft auf Naturtalent. Tagsüber gibt’s Jause – abends Casual Fine Dining: Erstaunlich leicht die Rillette mit pastellzarten Mixed Pickels. Die Forelle vom Ökozüchter aus dem Nachbardorf ruht neben Blumenkohlsteak und Wiesenblumen. Restaurantleiterin Rebecca Rosengren schaut mit skandinavischer Frische nach den Gästen. Ihr ist es zu verdanken, dass sich auch schwedische Weine (Stagard, Sauvignon Blanc 2016) auf der Karte befinden.

Almgasthof Windischgrätzhöhe
Schachenweg 2, 5640 Bad Gastein, www.windischgraetzhoehe.com, Vorspeise ab 8 €, Hauptspeise ab 16 €, Bier ab 3,50 €, Wein ab 5,50 €

Das Juwel im Badeschloss
Sommer-Pop-up am Straubingerplatz 4a: Italienische Tagesbar, Shop mit Weinen und hausgemachten, regionalen Produkten, www.facebook.com/TeamWindischgraetzhoehe