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Stimbekhof

Heidelandschaft heute

Die Lüneburger Heide macht Spaß. Dafür sorgen drei junge Hoteliers mit ihrem Stimbekhof. Sie zeigen, wie es anders, wegweisend und erfolgreich funktionieren kann

Jovitha James, Björn Bohlen und Sabrina Walterscheidt; Foto: Stimbekhof Stimbekhof-Team

Lüneburger Heide? War da mal was mit einem Film „Grün ist die Heide“? In den 50er-Jahren lief dieser Heimatfilm wohl. Heute ist diese Landschaft als angesagtes und zeitgemäßes Ferienziel nicht unbedingt bekannt. Doch es tut sich was bzw. hat sich getan. Jovitha James, Sabrina Walterscheidt und Björn Bohlen haben 2020 das Reetdach-Ensemble namens Stimbekhof übernommen und aus einem ehemaligen Tagungsort ein Gelände zum Entspannen gemacht. Sie haben ihre Jobs in der konventionellen Hotelbranche gelernt und wollten es anders machen, authentischer, individueller, nachhaltiger. Die drei haben in der Lüneburger Heide eine Vorreiterrolle eingenommen, die jeder und jedem eine auch noch so kurze Auszeit garantiert.

Die Anreise z.B. mit der Bahn verläuft reibungslos – bis zum Hamburger Hauptbahnhof. Aufgrund der Baustelle fahren die Züge immer mal wieder an unterschiedlichen Gleisen ab. In Wintermoor steht Björn als Empfangskomitee bereit – man duzt sich auf Stimbekhof – und erzählt während der Fahrt von den ersten Jahren ihrer Unternehmungen in Corona-Zeiten. Über Wasser haben sich die drei Newcomer mit Take-away gehalten. Das funktioniert auch in der Lüneburger Heide. Kaffee, Kuchen, ein spezieller Heidetrunk – das ging gut. Und auch die Zusammenarbeit mit der Nachbarschaft und den Produzent*innen verlief reibungslos.

Am Stimbekhof angekommen geht es erst mal auf die Holzliege im Garten, mit Tee und einem der besten Äpfel seit langem. Den Tee kann sich jede und jeder selbst zubereiten. Im Flur zum Hofcafé stehen ein Samowar und verschiedene Teesorten zur Verfügung. Gegenüber ist ein alter Bauernschrank, der die Minibars in den Zimmern ersetzt, also als eine Art Maxibar. Björn empfiehlt noch den hausgemachten Müsliriegel. Dann sieht man den Mann nur noch in den verschiedenen Häusern mit Handwerkern am Arbeiten. Es werden Apartments umgebaut, im zeitgemäßen Landhausstil und das Mobiliar ersetzt, für z.B. Hundeliebhaber. Denn das sind Gäste aus der Vorzeit und immer noch willkommen.

Zurück auf die Wiese, dort stehen verschiedene Sitz-, Schaukel- und Liegemöglichkeiten zur Verfügung. Und ruhig ist es! Runterkommen, in den Himmel durch die Baumwipfel schauen und vielleicht noch anderen Gästen freundlich zunicken. So einfach kann es gehen. Im Hofcafé werden Waffeln und Kuchen serviert. Das nur den Hotelgästen. Denn beides war nicht unter einen Hut zu bekommen: Einmal die Hotelgäste zufriedenzustellen und gleichzeitig die Walk-ins zu bedienen – ein zu großer personeller Aufwand.

Prioritäten setzen, das ist für das Trio Prinzip, nicht nur im Umgang mit ihrem Personal. In der Hofküche, für die Organisation ist Sabrina zuständig, pflegt das Küchenteam einen entspannten Umgangston. Ein Küchenchef oder eine Küchenchefin gibt es im klassischen Sinn nicht. Sabrina habe die Erfahrung gemacht, dass es einen Mehraufwand an Arbeit, Organisation und Nerven bedeute, erklärt sie bei der Fahrt über Dörfer und Landschaften – sehr viel Landschaften – zu Kröger Fisch. Noch blüht die Heide nicht. Hauptsaison sei August bis Anfang September. Dann leuchtet alles in Flieder, Pink oder Helllila!

Irmgard Kröger trägt zurecht den Titel Forellenkönigin. Am Anfang des Gespräches beweist sie höfliche Zurückhaltung, aber nach einiger Zeit erzählt sie ein wenig von sich und dem Forellenhof. Vor über 50 Jahren hat sie mit ihrem Mann Klaus einen Forellenteich bewirtschaftet. Damals war sie hauptberuflich Grundschullehrerin aus Wörme. Heute sind es rund rund 100 Quell- und Naturteiche. Es ist einer der größten Forellenzuchtbetriebe Niedersachsens. Und den leitet mittlerweile ihr Sohn. Irmgard Kröger steht weiterhin mit einer Mitarbeiterin im kleinen Ladengeschäft, in dem Forellen in allen Varianten verkauft werden. Die Forellenkönigin denkt sich immer wieder neue Rezepte aus. Sabrina probiert ein paar Varianten und entscheidet sich für ein paar Salate für das Abendessen im Hotel.

Die allabendliche „Brotzeit“ wird von den Produkten der Region bestückt. Neben dem Landbrot von der Bäckerei und Konditorei Bergmann kommt der Aufschnitt von der Landschlachterei Hermann Meyer, wie übrigens auch die Heidschnucken-Currywurst. Es gibt täglich wechselnd eine vegane Suppe und ein Gericht aus der Hofküche. Wenn es das Wetter erlaubt, wird auch schon mal am Lagerfeuer gegrillt.

Nach einer Nacht im Kutscher-Zimmer – es stehen insgesamt 31 individuell gestaltete Zimmer und Suiten zur Auswahl – und nach einem ausgiebigen Frühstück, geht es aufs E-Bike. Es gibt ausgezeichnete Radwege z.B. nach Bissingen, ebenso Wanderstrecken, wie der Heidschnuckenweg und der Jacobusweg. Die führen am Stimbekhof vorbei.

Auf dem Weg dorthin liegt die Landschlachterei Hermann Meyer. Ein Besuch lohnt sich, man bekommt einen Einblick in handwerkliches Können, was dort Tradition hat und in Berlin sowie anderen Städten zur Seltenheit gehört. Und es gibt ein außerordentlich großes Angebot an Wurst- und Fleischkonserven.

Mit gleichem Selbstverständnis erzählt Stephanie Beuße von ihrer Bäckerei und Konditorei. Es sei wohltuend, dass im Stimbekhof eine junge Generation angetreten ist, um zeitgemäße Gastfreundschaft zu beweisen. Sie steht dem Trio auch mal in turbulenten Zeiten zur Seite. Nicht nur während der schwierigen Corona-Phase.

Auf dem Rückweg geht es mit dem E-Bike kreuz und quer durch die Heide, auf den ausgeschilderten Wegen, aber auch mit dem Navi lässt sich mühelos diese einzigartige Landschaft erkunden.

In der leicht hügeligen Landschaft sind neben den Zwergsträuchern und den Heidekrautgewächsen ein paar Baumgruppen zu sehen und Wacholderbüsche. Und die sind für Gerhard Bosselmann von großer Bedeutung. Der Mann ist ein Aus- und Quereinsteiger und eigenwillig. Er hat Ende der 90er-Jahre eine Bäckerei übernommen und aus vier Filialen ein Unternehmen mit 22 Standorten geschaffen. Heute betreibt er wohl eine der kleinsten Garagen-Brennereien Deutschlands und brennt nach London-Dry-Gin-Verfahren einen ausgezeichneten Heide-Gin. Den Wacholder sammelt er im Mondlicht. Handverlesen jede Flasche, er destilliert langsam und behutsam in kleinsten Batches zu 50 Liter.

Probieren kann man den im Stimbekhof, am Abend beim Gespräch mit Jovitha. Sie erzählt von den anfänglichen technischen Schwierigkeiten, von verschiedenen Internet- und Telefonleitungen. Was heute kein großes Problem mehr ist. Sie ist es auch, die für Buchungen zuständig ist und abends auch als Gastgeberin fungiert – und das sympathisch und unkompliziert, wie auch die anderen beiden. (Eva-Maria Hilker)

Stimbekhof
Oberhaverbeck 2, 29646 Bispingen, Tel. 05198 98 10 90, www.stimbekhof.de


Bäckerei & Konditorei Bergmann
Borsteler Straße 12, 29646 Bispingen

Brennerei Bosselmann
Kuhlhof 7, 21272 Egestorf, www.heidebrennerei.com

Kröger Fisch
Zu den Fischteichen 5, 21256 Handeloh-Wörme

Landschlachterei Hermann Meyer
Haverbecker Straße 24, 29646 Bispingen