Peter Eckert (links) und David Griedelbach, Fotos: Belek Wunderlich Quartiermeister Aufmacher
Quartiermeister

„Am Ende muss jede Flasche Quartiermeister soziale Projekte fördern“

Quartiermeister setzt sich für gutes Bier und soziale Projekte ein. Geschäftsführer Peter Eckert und David Griedelbach im Gespräch über ihr soziales Engagement und ihre Visionen

Interview: Madeline Thomas • Fotos: Belek Wunderlich

Ihr arbeitet mit Partnerbrauereien zusammen. Wolltet ihr am Anfang das Bier selbst brauen oder sofort in professionelle Hände geben?
David Griedelbach: Ganz am Anfang war es natürlich unsere idealistische Idee, das Bier selbst zu brauen. Wir hatten wenig Ahnung von der Bierproduktion. Wir wollten sozialen und korrekten Konsum ermöglichen und da hat Bier als Produkt einfach gepasst. Dann haben wir gemerkt, dass wir kein Bier vertreiben können, bei dem ausschließlich die Idee im Vordergrund steht. Wir müssen schon schauen, dass das Produkt auch qualitativ wahrgenommen wird. Wir arbeiten mit zwei Brauereien zusammen, der Brauerei Wittichenau in Sachsen und der Brauerei Gut Forsting in Bayern. Die stellen das Bier nach unserem Rezept her.
Peter Eckert: Wir selbst sind keine Brauereiingenieure, aber wir haben seit vier Jahren einen Brauereiingenieur im Team dabei und seit kurzem sind in München auch nochmal zwei dazugekommen. Wir haben gemerkt, dass das Konzept das eine ist, aber ohne gute Produkte funktioniert das nicht. Teil des Erfolges ist es auch, dass wir gute Biere produzieren.

Wie zeichnet sich denn allgemein der Trend zu kleineren Brauereien ab?
Eckert: Es spielt uns in die Karten, dass gerade dieses Umdenken auf dem Biermarkt stattfindet. Der Trend geht zurzeit zu Brauereien, die in kleineren Chargen ihr eigenes Bier produzieren. Und das geht einher mit dem regionaleren Denken, dass man nicht nur Bier von irgendwo trinken will, sondern auch Bier, das aus der Region kommt. Wir sind auch nicht das klassische Start-up. Normalerweise gibt man Geld aus, das man nicht besitzt, um zu schauen, ob die Idee funktionieren kann. Am Anfang haben wir für uns kein Geld ausgegeben, sondern sofort Projekte gefördert. Wir kommen komplett von dem Gedanken des Sozialen und haben daraus ein Sozialunternehmen gemacht. Es ist ungewöhnlich, es so zu machen, aber es funktioniert. Es ist gut, dass wir mittlerweile ein soziales Unternehmen sind, das Mitarbeiter bezahlen kann, die davon leben können.

Der Berliner Markt zeichnet sich ja auch durch viele Biersorten aus. War es schwierig, sich hier zu etablieren?
Griedelbach: Wir haben natürlich keinen direkten Vergleich, aber es ist kein einfacher Markt. Doch in Berlin ist es nicht so schwierig wie in München. Hier kommt man leichter rein, da in München viele Restaurants den Brauereien gehören. Durch unser Rotbier oder das Bio-Bier können wir mit manchen Gastronomen zusammenarbeiten. Der Markt ist extrem umkämpft, vor allem durch die großen Industrien. Aber durch unsere Geschichte, unsere Authentizität und die Projekte schaffen wir es doch, uns einen kleinen Teil zu erkämpfen.

Wie setzt sich Quartiermeister zusammen? Wie funktioniert ein Unternehmen mit einer sozialen Komponente?
Eckert: 2010 hat alles mit dem Verein angefangen. Unser Gründer Sebastian Jacob hat Quartiermeister als Verein ins Leben gerufen. Zu der Zeit gab es das Unternehmen noch nicht und dementsprechend hat sich der Verein um Produktion und Vertrieb gekümmert. Doch alles nur über den Verein laufen zu lassen wurde mit der Zeit schwierig und so haben wir ein Sozialunternehmen gegründet. Der Verein kümmert sich um den Fördermittelvergabeprozess, das Unternehmen um die Produktion und den Vertrieb, es gibt auch jeweils klare Ansprechpartner. Der Verein verfolgt eigene Ziele und schaut uns auf die Finger. Für uns ist das eigentlich ganz angenehm, denn in einem Sozialunternehmen entsteht oft ein Konflikt um die Frage, was wichtiger ist. Soll man das Geld nehmen und in Wachstum investieren oder aber in Förderung oder beides? Deswegen haben wir einen festen Schnitt der Förderung festgelegt, pro Liter Bier werden 10 Cent gespendet.

Quartiermeister 2

Wie funktioniert der Fördermittelvergabeprozess?
Eckert: Dieser errechnet sich aus den 10 Cent pro Liter, die wir auch runterrechnen können. Die Förderung findet dort statt, wo das Bier getrunken wurde. Am Ende muss jede Flasche Quartiermeister soziale Projekte fördern. Der größte Teil fließt in die Stadt, aus der das Geld kommt, also wo das meiste Bier getrunken wurde. Wir haben jetzt auch angefangen, kleinere Städte wie Görlitz oder Chemnitz zu unterstützen, ohne dass dort schon so viel getrunken wurde. Unser Ziel ist es, sagen zu können: Wir haben jetzt hier schon etwas unterstützt, ansonsten müssten wir ein Jahr lang warten, bis das Geld da ist, um Projekte fördern zu können. Die Summe der Förderung steigt auch jährlich. Letztes Jahr sind wir um die 30 Prozent gewachsen und die Förderung wächst mit der Summe. Wir haben insgesamt schon 100.000 Euro an Projekte ausgeschüttet. Dieses Jahr ist die Summe bei 35.000 Euro. Seit wir das unternehmerisch machen, können wir die Mitarbeiter bezahlen, aber auch mehr fördern. Bei uns ist es nicht so, dass Wachstum auf Kosten des Sozialen geht, es geht einher. Beides wächst zusammen und miteinander.

Wie werden denn die Projekte, die gefördert werden, ausgewählt?
Griedelbach: Die Projekte müssen zu Quartiermeister passen. Wir haben einen Katalog an Förderrichtlinien: Zum Beispiel, dass es zugänglich für alle ist, einen sozialen und kulturellen Hintergrund haben sollte und auch Anstoß für mehr sein sollte und keine einmalige Sache ist. Die Auswahl findet im Verein statt. Die Projekte können sich bewerben und die Vereinsmitglieder bewerten anhand der Förderrichtlinien die Projekte und treffen eine Vorauswahl. Anschließend geht die Abstimmung online und jeder kann dort für ein Projekt abstimmen. Alle drei Monate wird ein Gewinn ausgeschüttet und so fördert der Verein viermal im Jahr verschiedene Projekte. Wir selbst stimmen auch nicht ab, das überlassen wir dem Verein.

Seid ihr ansonsten auch aktiv im Verein?
Griedelbach: Wir sind beide ja seit sieben Jahren dabei, am Anfang sehr aktiv, was die Idee und die Umsetzung angeht. Aber wir haben auch gemerkt, dass durch die Gründung des Sozialunternehmens schnell Interessenskonflikte entstehen könnten. Ein Verein, der dann aus mir und Peter Eckert bestehen würde, wäre nicht sehr glaubhaft. Dementsprechend wissen wir natürlich, was der Verein macht, aber wir haben keinen Einfluss darauf. Der Verein ist selbständig und entscheidet, welche Projekte gefördert werden sollen.

Ist durch den sozialen Aspekt von Quartiermeister ein preislicher Unterschied zu anderen konventionellen Bieren vorhanden?
Eckert: Unser gängiges Bier kostet höchstens minimal mehr, das Bio-Bier ist natürlich etwas teurer, aber es ist im Vergleich zu anderen Bio-Bieren auf einer Preisebene. Wir haben bewusst gesagt, dass wir den Leuten eine Alternative bieten wollen, die nicht das Doppelte kostet. Die Alternative, die wir bieten wollen, ist, dass man mit dem gleichen Geld zusätzlich soziale Projekte unterstützt.

Ist Quartiermeister auch in den großen Supermärkten vertreten?
Griedelbach: Unsere Biere können über die bekannten Getränkegroßfachhändler in den Regionen in und um Berlin, Leipzig und Dresden bezogen werden. Alle Sorten sind sowohl in der 0,33-Liter- und 0,5-Liter-Flasche, als auch vom Fass erhältlich. Es gibt unser Bier in diversen Bars und Restaurants ebenso wie im Bio-Einzelhandel und in ausgewählten Abholmärkten. In den großen Supermarktketten gibt es Quartiermeister bisher noch nicht. Da haben wir uns auch vor drei Jahren bewusst dagegen entschieden, als wir die erste größere Anfrage bekommen haben. Das ist ein Schritt, der wohlüberlegt sein muss.
Eckert: Die ersten Jahre haben wir auch ausschließlich Gastronomie gemacht und das ist auch immer noch unser Schwerpunkt. Wir funktionieren auch sehr gut in der Craft-Beer-Szene, im Edelrestaurant, in Clubs oder in Spezialitätengeschäften. Aber wenn wir auf dem Massenmarkt den Kunden erreichen, der versteht: „Ich trinke hier ein Bier von einem kleinen Hersteller, der einen sozialen Gedanken hat, regional und ökologisch herstellt“, dann ist das genau, wo wir hinwollen. Um das leisten zu können, ist es auch wichtig, dass der Preis nicht elitär ist. Das Ziel ist auch, preislich und von der Verfügbarkeit breit zu streuen, im SO36 oder im Yaam sind wir zum Beispiel auch vertreten.
Griedelbach: Viele Läden sind natürlich auch auf die Unterstützung der Großindustrie angewiesen, aber wenn die es dann schaffen, auch uns mit reinzunehmen, ist das eine schöne Entwicklung.

Warum seid ihr mit Quartiermeister hauptsächlich im Osten Deutschlands tätig?
Eckert: Alles hat hier in Berlin angefangen und damals haben wir die Brauerei Wittichenau in Sachsen gefunden. Und da wir auch regional wirtschaften wollen, waren erstmal nah gelegene Städte wie Dresden oder Leipzig unser Ziel. In München haben wir mit der Brauerei Gut Forsting eine zweite Partnerbrauerei gefunden. Aber Hamburg, Köln oder Stuttgart sind zum Beliefern zu weit weg. Aktuell ist es das Ziel, jeweils in der Region eine Brauerei zu finden, und wenn wir die haben, wollen wir auch dort die Städte angehen.
Griedelbach: Es geht auch um die betriebswirtschaftliche Komponente. Wenn das Bier erst einmal von München nach Hamburg muss, wird es teurer, da man Geld für die Logistik ausgeben muss. Der Biermarkt ist mittlerweile komplett globalisiert, da wird Bier mehrere tausend Kilometer verschifft, und da wollen wir einen kompletten Gegenentwurf aufzeigen. Wir setzen regionale Wertschöpfung an die erste Stelle, im Sinne des regionalen Kreislaufs mit Rohstoffen, Produzenten und Verkauf. Bei uns geht es einen Schritt weiter, da wir am Ende regionale Projekte in der Gesellschaft unterstützen. Wir geben wieder zurück und schaffen einen echten Kreislauf. Wir wollen immer mit einem regionalen Produzenten ein regionales Produkt schaffen und damit auch regionale Projekte fördern. Diesen Dreiklang findet man so auf dem Markt nirgends. Die Brauerei Wittichenau liegt in der Nähe von Hoyerswerda und die Stadt ist bekannt für rechte Gruppierungen. Und wir glauben, dass in dem Moment, wo wir dort auch Arbeitsplätze schaffen, die Infrastruktur auch weiter erhalten bleibt, da wir ja auch in die Region investieren. Zusammen mit unseren Partnern versuchen wir auch nachhaltiger zu werden. Die Brauerei Wittichenau hat auf einen Öko-Stromanbieter umgestellt, bezieht ihren Hopfen regionaler und hat sich auch biozertifizieren lassen.

Quartiermeister 1

Wo kommt der Name Quartiermeister her?
Griedelbach: Der Quartiermeister ist für die Versorgung im Militär zuständig gewesen. Wir nutzen natürlich eine Analogie, aber ohne militärischen Hintergrund. Es ist sozusagen der „Kümmerer“, der sich um die Versorgung kümmert. Es wird Bier getrunken und sich gleichzeitig um die Nachbarschaft gekümmert. Im Quartiermeister-Kosmos können alle dran teilnehmen und positive Veränderungen fördern.

Seit letztem Jahr ziert auch eine Frau eure Flaschen. Wie ist es denn zur Quartiermeister*in gekommen?
Griedelbach: Das war unsere erstmals sehr politische Kampagne. Der Wunsch war schon immer da, auch eine Frau auf der Flasche zu haben. Letztes Jahr haben wir es endlich umgesetzt und uns zusammen mit dem Verein gegen Sexismus in der Bierwerbung positioniert, das Label mit der Frau herausgebracht und auch bewusst das Gendersternchen mit auf die Flasche gepackt, auch wenn ein Mann zu sehen ist. Einen Teil des Geldes haben wir an ein Empowering-Projekt für Mädchen und junge Frauen in Neukölln gespendet. Das ist alles zusammen mit dem Verein passiert. Und das ist genau das, was wir machen wollen. Wir wollen uns politisch engagieren und für die Gesellschaft einstehen. Wir sind ein Unternehmen und müssen Geld verdienen, aber wir machen das nicht aus Selbstzweck, sondern um die Gesellschaft mitzugestalten.
Eckert: Damit einher geht auch, dass wir kein Geld von Investoren angenommen haben, sondern aus eigenen Mitteln gewachsen sind, und das ist ein großer Vorteil, denn mit dieser Unabhängigkeit kann man sehr viel machen. Es ist eher ungewöhnlich, dass man eine Marke politisch auflädt.
Griedelbach: Wir wollen ein ganzheitliches Unternehmen sein, das gutes, nachhaltiges, soziales, regionales und biozertifiziertes Bier anbietet. Das Bier soll aber auch für sich alleine stehen können. Die Überlegung geht auch dahin, mehr Menschen zu erreichen und dementsprechend auch mehr Produkte auf den Markt zu bringen. Es ist Teil der Vision, den Leuten korrekten Konsum zu ermöglichen und zeitgleich auch noch Projekte zu fördern, um deutschlandweit Pioniere für eine solche Unternehmungsstruktur zu sein.

Quartiermeister – Korrekter Konsum GmbH,
Quartiermeister e.V.

Oranienstraße 183, Aufgang C, 3. Etage, Kreuzberg, Tel. 030 69 59 91 23, www.quartiermeister.org