„Das Wort Respekt ist eine sehr unterschätzte Vokabel“
Gerhard Kämpfe hat viel Interessantes aus dem Berliner Kulturleben zu erzählen. Und er hat einiges dazu beigetragen. Während des Gesprächs kamen ständig Menschen vorbei, um ihn zu begrüßen. Das Manzini sei sein zweites Büro und er sei fast jeden Morgen hier, um Zeitung zu lesen und Kaffee zu trinken. Und um weiterhin das kulturelle Leben der Stadt zu bereichern
Interview: Eva-Maria Hilker •
Berlin hat Ihnen viel zu verdanken, oder?
Gerhard Kämpfe: Vice versa! Auch ich habe der Stadt viel zu verdanken. Ich denke, Sie sprechen auf das Classic Open Air an, auf die Pyronale, auf den Friedrichstadt-Palast und solche Dinge ...
Genau, und auch auf die frühere Musikwirtschaft. Sie haben die Krise der Musikbranche zum Anlass genommen, wieder etwas anderes zu machen.
Es war notwendig. Der Tonträger als solcher hat sich ja extrem verändert. Angefangen habe ich noch mit Vinyl, mit Schallplatten. Dann kam ...
... die CD!
Nein, die Kassette. Da hatte jeder die Angst, dass das der Tod der Schallplatte sei, weil jeder jetzt die Musik aufnehmen kann. Und danach kam die CD und nun sind es die Streaming-Dienste. Aber nach wie vor können Menschen von Musik leben – Gott sei Dank – es hat sich nur verschoben. Wenn früher ein Künstler sehr erfolgreich war, waren ungefähr 60 bis 65 Prozent seiner Einnahmen aus Lizenzen und der Rest waren Live-Auftritte. Das hat sich mehr als gedreht. Heute sind die Einnahmen der großen erfolgreichen Künstler zu 80 Prozent live, also Konzerte, und maximal noch 20 Prozent durch Lizenzen, also verkaufte Tonträger.
Deshalb werden die Shows immer aufwendiger.
Auf der einen Seite heißt es ja, dass Menschen heute mit der Musik dann Geld verdienen, wenn sie in der Lage sind, auf einer Bühne so zu agieren, dass das Publikum begeistert ist. Früher gab es sehr häufig musikalische Acts, die zwar im Verkauf von Tonträgern sehr erfolgreich waren, aber auf der Bühne war es manchmal besser, man hätte sie nicht erlebt. Heute ist es so: Da der Großteil der Einnahmen live ist, musst du auf einer Bühne auch reüssieren können. Der Nachteil ist, dass der Schub an Konzerten, an Veranstaltungen, gigantisch ist. Die normalen Durchschnittsbürger und -bürgerinnen haben einen gewissen jährlichen Etat für Entertainment. Und auch wenn das Angebot immer größer wird, geben die Etats der Familienkassen ja nicht plötzlich mehr her. Das heißt, der Konkurrenzkampf wird immer stärker, immer größer, und da bleiben, wie immer bei Konkurrenzkämpfen, auch eine ganze Menge auf der Strecke.
Aber der Musik sind Sie treu geblieben. So auch beim Friedrichstadt-Palast.
Das war Anfang der neunziger Jahre. Ich hatte eine Tournee gemacht mit dem Friedrichstadt-Palast-Ensemble. Erst mit der kleinen Revue, die es damals noch gab, dann mit der großen Revue. Und dann erfuhr ich, dass man dem Palast keine Subventionen mehr geben wollte. Ich fand das irre, weil mir ziemlich klar war, dass dieses Haus das letzte seiner Art – Berlin war ja in den 20er Jahren eine absolute Revuestadt mit vielen Revuetheatern –, das letzte Denkmal in dieser kulturellen Form war. Und dann haben wir mit vielen Freunden angefangen zu kämpfen für das Haus. Wir haben dem Land Berlin mit seinem damaligen Kultursenator Roloff-Momin empfohlen, das Haus aus dem Landeshaushalt heraus in eine landeseigene GmbH zu überführen. Nach großem Kampf und sehr vielen PR-Maßnahmen und monatelangen nächtlichen Diskussionen fiel dann irgendwann die Entscheidung, dass wir das versuchen können. Ich denke, das war ein Glückstag, in jedem Fall mal für den Friedrichstadt-Palast, aber auch für Berlin. Und gerade jetzt, wo wir 100 Jahre Friedrichstadt-Palast feiern, denke ich, kann die Stadt froh sein, dieses Haus zu haben. Unter einer auch exzellenten Führung, wie ich finde, mit Berndt Schmidt.
Welche Rolle haben Sie bei den Verhandlungen gespielt?
Ich glaube, ich darf sagen, ich war die treibende Kraft damals. Ich hatte ja gerade als Wessi die ersten Revue-Erfahrungen gemacht, nämlich in der Alten Oper Frankfurt am Main mit dem vorhin erwähnten Gastspiel und dann haben wir in Köln gespielt. Ich fand, das Ensemble hatte erstens eine exzellente künstlerische Ausbildung, zweitens waren auch die Bühnentechniker exzellent ausgebildet, und alle hatten auch sehr schnell Angebote aus ganz Europa, an andere Theater zu gehen. Aber sie blieben. Sie wollten, dass dieses Haus gerettet wird. Und als wir dann anfingen zu kämpfen, saßen wir zusammen, mit dem Orchesterchef, dem Ballettchef, dem Technikchef, und besprachen, wo man einsparen kann. Natürlich war der Palast völlig überbesetzt mit ungefähr 700 Mitarbeitern.
War es nicht ein harter Schnitt, den Menschen zu sagen: Du musst leider gehen?
Es geschah auf eine vernünftige und auch soziale Art. Das war ein harter Kampf mit Politikern und mit Gewerkschaftern.
„Ich liebe Plätze. Ich drehte mich kitschig wie im Hollywood-Film um die eigene Achse und dachte: Boah, hier möchtest du Musik machen!“
Das ist über 20 Jahre her. Parallel dazu lief schon das Classic Open Air.
Die Idee dazu hatte ich 1991 als typischer Wessi. Im Rahmen der Verhandlungen in Sachen Friedrichstadt-Palast hatte ich eine Verabredung mit Gewerkschaftern im Hilton-Hotel am Gendarmenmarkt. Dazu musste ich den Gendarmenmarkt überqueren – damals hieß er noch Platz der Akademie. Ich ging also über diesen Platz, der für mich als Wessi wirklich neu war. Und ich liebe Plätze. Ich drehte mich kitschig wie im Hollywood-Film um die eigene Achse und dachte: Boah, hier möchtest du Musik machen!
Dann haben Sie auch gleich die Initiative ergriffen und einen Antrag gestellt.
Das war im Jahr 1992, um ein paar tausend Plätze aufzubauen und eine Bühne hinzustellen. Das wurde erstmal abgelehnt, weil der Platz eine schweigende Schönheit bleiben sollte, ein Ort der Stille und der Ruhe. Ich sagte: Leute, seid ihr bescheuert? Guckt euch die großen Plätze Europas an, das lebt!
Eindruck auf die Bürokratie hat dann letztendlich ihr Engagement für die Künstler aus der DDR gemacht?
Ja, nach der Wende hatten sie plötzlich mit ganz neuen Dingen zu tun. Da rief einer an und sagte, ich habe hier einen Vertrag mit einer Plattenfirma, ich weiß gar nicht, wo hier hinten und vorne ist, oder es riefen Autoren vom Fernsehen mit Fragen an. Das wurde irgendwann zuviel. Wir haben uns dann jeden ersten Freitag im Monat irgendwo getroffen. Hier wurden alle Fragen von befreundeten Steuerberatern, Anwälten und mir beantwortet.
Gab es nicht auch Kritik, dass Sie ihr ganzes Know how kostenlos transferiert haben?
Klar gab es da solche Stimmen. Aber da kamen 18 Millionen Leute in unser System und wir sollten es ihnen nicht erklären? Jedenfalls war mein Engagement für die Beamten wohl ausschlaggebend, dass man meinte, ich hätte ein Goodie verdient. Und das war die Erlaubnis, auf dem Gendarmenmarkt ein Konzert zu veranstalten.
Waren Sie zwischendurch mal frustriert durch die staubige Stadtpolitik?
Nomen est omen. Ich bin schon ein Kämpfer. Wenn mir etwas nicht passt, versuche ich erstmal zu begreifen, ob ich vielleicht falsch liege oder die anderen. Und wenn ich nach wie vor der Meinung bin, die anderen liegen falsch, dann kämpfe ich dafür. Natürlich gab es immer wieder in meinem Leben Für und Wider. Man sollte auch immer ein bisschen aufpassen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist meistens zu einfach. Man muss in der Lage sein, bei eigenen Fehlern zumindestens irgendwann zu entdecken, oops, das war ja meine Schuld. Für diese Erkenntnis braucht man eine Weile, man muss vielleicht auch ein bisschen älter werden. Aber das ist eine Eigenschaft, die man trainieren sollte.
Jetzt sind wir also auf dem Gendarmenmarkt, 1992. Wie viele Konzerte waren es am Anfang?
Drei Veranstaltungen, also drei Konzerte. Und gleich von Anfang an haben wir Classic Open Air mit C geschrieben. Damit ich in der Lage bin, außer der Klassik mit K, also Verdi, Puccini, Rossini, Tschaikowski, Beethoven usw., auch die „Classics of ...“ zu spielen. Also Classics of Rock, Classics of Jazz, Classics of Weiß-der-Geier-was. Und das hat funktioniert. Denn außer den großen klassischen Themen und Solisten – wir begannen ja mit einem der damals Größten, mit José Carreras, dann kam schon im nächsten Jahr die Caballé, dann hatten wir auch Leute wie René Kollo, José Cura und Marcelo Álvares, also die großen Tenöre dieser Welt – hatten wir ja vor allem die Konzept-Konzerte, also Verdi-Nächte, Wagner-Nächte, Strauss-Nächte, Mozart-Nächte. Und dann eben die Latino-Classics mit dem Buena Vista Social Club aus Kuba mit Orchester, bei Classics of Jazz spielte Till Brönner mit seinem Orchester, bei Classics of Rock die Scorpions mit den Berliner Symphonikern.
Und wieviel Publikum gab es am Anfang?
Beim allerersten Mal stand die Bühne noch vor dem Französischen Dom. Die ursprüngliche Idee war ja, dass die Bühne aus dem Konzerthaus kommt. Aber da steht das Schiller-Denkmal und ich dachte, der steht im Wege, der Künstler muss hin- und herrennen auf der Bühne, weil er immer den Schiller vor der Nase hat, auch noch seinen Rücken (lacht), und das Publikum genauso. Also stellten wir die Bühne vor den Französischen Dom und die Tribüne war hinten vor dem Deutschen Dom. Da hatten wir Platz für fast 10.000 Leute. Und die kamen auch.
Also war das auch ganz klar ein Erfolg.
Das war ein fetter Erfolg. Der Carreras war sehr beliebt. Ich glaube, er gab 50 Minuten oder noch länger Zugaben. Aber mir fiel auf, dass die Leute, die hinten auf der Tribüne saßen, über 100 Meter entfernt, also zu weit weg von der Bühne saßen. Also haben wir im zweiten Jahr die Bühne vor das Haus der Akademie der Wissenschaften gebaut. Jetzt hatten die Leute einen kompakten Platz und ganz hinten maximal 50 Meter Entfernung zur Bühne, aber das Konzerthaus war im Rücken. Und dann kam ein Mitarbeiter auf die Idee, die Bühne, wie am Anfang geplant, aus dem Konzerthaus rauskommen zu lassen, dahinter die Bestuhlung fischgrätenmäßig aufzustellen, sodass hinter dem Schiller ein breiter Gang bleibt, der auch gleichzeitig Fluchtweg ist. Und seit 1994 kommt die Bühne aus dem Konzerthaus.
Dann kam 2006 die Pyronale, die hat gerade im August wieder stattgefunden.
Ja, aber dazwischen gab es natürlich noch ein paar andere Dinge, z.B. Management von Künstlern. Ich hab lange Zeit mit Giora Feidman, dem Klezmermusiker zusammengearbeitet. Wir haben Till Brönner über ein Jahr betreut, daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Ich hab in der Zwischenzeit ein Theaterstück geschrieben, „Apocalypso“; ich hab Regie geführt, moderiert und solche Dinge.
Wie kam es nun zur Veranstaltung im Olympiastadion?
2005 saß mein Partner Mario Hempel zusammen mit den Scorpions bei einer Veranstaltung. Und da war auch der damalige Geschäftsführer des Olympiastadions, Peter von Löbbecke. Und der sagte: Wir haben das Stadion gerade komplett saniert für die Fußball-WM 2006. Was kann man noch in diesem Stadion spielen außer Fußball und Leichtathletik, habt ihr da Ideen? Und da sagte der Mario: Da setze ich mich mal mit meinem Partner zusammen. Und dann kam uns die Idee: Feuerwerk!
Sie haben eine intensive Beziehung zu Feuerwerk. Auch bei der First Night beim Classic Open Air gibt es immer ein Feuerwerk vom Dach.
Der Zusammenklang von Musik und Feuerwerk ist etwas ganz Berührendes. Peter von Löbbecke sagte: Tolle Idee, aber das Feuerwerk können wir ja schlecht im Stadion machen, da ist ja ein Dach. Deshalb findet es seit 2006 auf dem Maifeld statt unter dem Namen Pyronale – in Anlehnung an die Berlinale.
Dann kamen wieder Bedenkenträger?
Viele unkten, dass die Leute sich keine Tickets kaufen, sondern sich draußen hinsetzen und sich das von draußen ansehen.
Machen sie ja auch zum Teil.
Aber solange genug drinnen sind, sodass wir weitermachen können, ist das in Ordnung. Und man musste den Leuten erst mal über die Medien erklären, dass sie draußen sitzend nur das sehen, was über das Dach des Stadions hinausgeht, sie hören die Musik nicht live dazu und das Bodenfeuerwerk, das ein wichtiger Bestandteil ist, sehen sie gar nicht. Und das funktionierte und wir hatten einen sehr großen Erfolg. Die Pyronale gilt inzwischen als zumindest eines der wichtigsten Feuerwerk-Festivals der Welt. Es gibt Fernsehbilder über die Pyronale in 126 Länder der Welt.
Na, bei so einer internationalen Ausstrahlung wird Sie ja das Land Berlin ordentlich unterstützen.
Innensenator Geisel und auch sein Vorgänger Henkel sind bei der Pyronale jeweils Schirmherren gewesen, weil sie ja auch für den Sport und das Stadion zuständig sind. Das ist schon hilfreich; wenn es irgendwo klemmt, sind sie an unserer Seite.
Auf der anderen Seite haben Sie am Gendarmenmarkt eine Erhöhung der Miete bekommen.
Und das nach einer Koalitionsvereinbarung in der stand: Veranstaltungen, die dem Wohle des Landes Berlins dienen, so steht es in unseren Verträgen, werden präferiert behandelt, in Bezug auf Öffnungszeiten, Dezibel-Auflagen und Kosten für die Flächennutzung. Das mit dem präferiert habe ich dann wohl falsch gedeutet! Denn sieben Monate nach der damaligen Koalitionsvereinbarung – wo wir übrigens mit dem Classic Open Air am Gendarmenmarkt explizit genannt wurden – bekamen wir eine Mieterhöhung von über 70 Prozent! Das war schon erstaunlich, denn auch über das Classic Open Air wird weltweit berichtet. Auch fast alle Tourismus-Informationen des Landes Berlin haben die Veranstaltung als Highlight des Kultursommers auf dem Programm. Da erstaunt es uns dann schon wenn es plötzlich so viel teurer wird. Aber das sind dann so Dinge, mit denen man umgehen muss.
„Zugegebener Weise bin ich, trotz der jüdischen Mutter, nicht wirklich religiös aufgewachsen. Aber je älter man wird, beschäftigt man sich wahrscheinlich doch mehr mit den Roots.“
Wir könnten uns jetzt noch lange über die Berliner Politik unterhalten, aber lassen Sie uns lieber zu einem neuen Thema in Ihrer Historie kommen. Das sind die Jüdischen Kulturtage.
Die Jüdischen Kulturtage mache ich jetzt zum vierten Mal. Es ist für mich eine besondere Art und Weise, sich mit jüdischer Kultur zu beschäftigen. Zugegebenerweise bin ich, trotz der jüdischen Mutter, nicht wirklich religiös aufgewachsen. Ich hab mich immer in erster Linie als Weltenbürger empfunden, dann irgendwann als Europäer und dann letztendlich irgendwann als Deutscher und seit ein paar Jahrzehnten auch als Berliner. Aber je älter man wird, beschäftigt man sich wahrscheinlich doch mehr mit den Roots.
Die Bandbreite der jüdischen Kultur, die schon ein paartausend Jahre existiert, ist eine Herausforderung.
Man kann nicht innerhalb von neun Tagen die gesamte jüdische Kultur abbilden, du kannst immer nur kleine Highlights zeigen. Aber das macht einen Riesenspaß. Es sind sehr ernsthafte Themen dabei, aber eben nicht nur. Einer der Schwerpunkte ist jedes Mal auch der jüdische Humor. Ich habe darüber nachgedacht, warum das so ist. Ich denke, es hängt damit zusammen, dass nach dem Fall des letzten Tempels, mit der Zerstörung durch die Römer, die Juden, wo immer sie auch lebten, eine Minorität waren. Und sie standen fast überall feindlichen Emotionen gegenüber. Wenn jemand über sich selbst Witze macht, was ja ein typischer Bestandteil des jüdischen Humors ist, wird man schlicht und einfach nicht aggressiv. Und das zweite ist: Wenn man in einer unangenehmen Situation ist und man lacht über sich selbst – das kennen wir alle –, dann bist du schon mit einem halben Schritt aus der Problemzone heraus.
Ich glaube heutzutage, in Zeiten der AfD, wird es immer schwieriger für jüdische Künstler oder Komiker, ein positives Lebensgefühl rüberzubringen.
Genau deswegen ist es wichtig, dass man es macht. Angefangen hat alles mit dem Kurt-Weill-Festival in Dessau. Ich hatte das Glück, dass ich berühmte Künstler engagieren konnte. Die Methode ist verhältnismäßig simpel: Du hast sechs, sieben, acht Leuchttürme durch Popularität, die natürlich auch in der Qualität toll sein müssen, also die Ute Lempers, Jan Josef Liefers’, Katharina Thalbachs dieser Zeit. Und dieses Licht, was durch die Popularität in den Medien entsteht, beleuchtet die vielen kleinen Veranstaltungen. 2019 baten mich die Kollegen im künstlerischen Team, auch einen Abend mit jüdischen Witzen zu machen. Das lehnte ich zuerst ab, aber dummerweise gilt bei künstlerischen Entscheidungen, dass demokratisch abgestimmt werden kann. Meine Hand blieb unten, die anderen gingen hoch und ich fand mich sechs Wochen später auf der Bühne des Alten Theaters in Dessau wieder. Ich hatte Karsten Troyke an meiner Seite, der zur Gitarre wunderbare jiddische Lieder singt. Zugegebenerweise hat es mir einen Riesenspaß gemacht, Leute lächelnd aus dem Theater zu schicken. Unabhängig davon, dass draußen 20, 30 Typen etwas gegen Juden hatten und das auch skandierten. Deswegen hatten wir auch drei LKA-Leute im Theater, also das muss man leider dann auch sagen, sowas gibt’s.
Sie arbeiten seit Juli mit Ihrem Sohn Maximilian zusammen. Geschieht das auf Augenhöhe?
Absolut. Wir haben auch mit den Mitarbeitern ganz flache Hierarchien. Meine Assistentin Barbara Pinner ist seit 23 Jahren an meiner Seite, der Produktionsleiter von Classic Open Air, Pyronale und Jüdische Kulturtage ist seit 1992 dabei; das spricht schon dafür, dass wir ein ganz gutes Teamverhalten haben. Ich denke, die Leute müssen wissen, dass man im Stressfall vor ihnen steht und sie auch schützt, dass man offen mit ihnen ist und dass man Respekt hat vor den eigenen Mitarbeitern. Sowieso finde ich, das Wort Respekt ist eine sehr unterschätzte Vokabel im menschlichen Zusammenleben. Ob das zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern, Chefs und Mitarbeitern oder Bürgern und Polizisten ist. Ich denke, man sollte dieses Wort richtig anwenden und nicht arrogant auf andere heruntergucken, das finde ich beschissen, um es mal deutlich auszudrücken. Und ich denke, man kriegt es dann auch ganz häufig positiv zurück.
Jüdische Kulturtage Berlin
Vom 7. bis 17. November 2019,
Sonntag, dem 10. November, 11.30 Uhr im Renaissance-Theater:
es erzählt Gerhard Kämpfe, musikalisch begleitet von Karsten Troyke