Otto nicht normal
In der Foodszene ist er hinlänglich bekannt. Der 27-jährige Berliner Vadim Otto Ursus veranstaltete zahlreiche Pop-ups in Berlin und Brandenburg. Und nun steht er in seinem Restaurant Otto, das er rustikal, regional und gleichzeitig experimentell bespielt
Die erste Überraschung kommt gleich mit der Speisekarte. Es gibt kein Menü, sondern eine kleine Auswahl von À-la-carte-Gerichten. Offensichtlich will sich Inhaber und Küchenchef Vadim Otto Ursus bewusst von anderen avantgardistischen Restaurants wie dem Ernst oder Nobelhart & Schmutzig abgrenzen. Diese servieren in ähnlicher Küchenstilistik ausschließlich Menüs. Und genau dieser Unterschied wird beim ersten Besuch bestätigt, nämlich dass es keine Barrieren gibt, dass nichts kompliziert oder verkopft und alles auf das Wesentliche reduziert ist. Das ist die logische Konsequenz aus Ursus’ Erfahrungen: Denn er arbeitete im Koks auf den Färöer-Inseln, im Maaemo in Oslo und im Noma in Kopenhagen. Nach vielen Jahren im Ausland und einigen Pop-ups in Berlin hat der 27-Jährige nun sein erstes eigenes Restaurant eröffnet.
Mitgebracht hat er eine eigene Handschrift, die die Natur, die Saison und die Region in den Mittelpunkt stellt. Wild kommt vom persönlich bekannten Jäger, viele Zutaten aus dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, wo Ursus in der Datsche seiner Familie auch eine Küche als Versuchslabor einbaute.
Die Küche in seinem Restaurant in der Oderberger Straße bietet etwas weniger Blick in die Natur, sie liegt etwas tiefer, aber öffnet sich zum kleinen Gastraum hin. Vier Vorspeisen, drei Hauptgänge und zwei Desserts stehen auf der Karte. Wildschwein kommt zur Vorspeise als Tatar mit Sauerklee und fermentierten Tomaten. Sehr fein, schön mager, tolle Komposition. Weiter geht es mit gegrilltem Rosenkohl; er wird serviert mit einem Pesto aus Petersilie, fermentiertem Wasser von grünen Tomaten und Schafsjoghurt. Das Grillaroma verbindet sich wunderbar mit der Frische und Säure der Zutaten, der Rosenkohl hat einen perfekten Biss. Eine gute Auswahl auch offener Weine – größtenteils Naturweine – begleitet die Gänge, professionell und entspannt empfohlen und eingeschenkt vom Service.
Beim Fisch-Hauptgang kommt eine Technik aus dem Noma zum Einsatz: Dem Saibling werden noch roh alle Gräten entnommen, aus ihnen entsteht eine Sauce. Dann kommt der Fisch als Ganzes auf den Tisch, dekoriert nur mit allerlei grünem Kraut wie beispielsweise Vogelmiere. Die Sauce kräftig, der Fisch auf den Punkt. Dann wieder Wildschwein, die Rippe zart gegart, dazu Mangold und eine kräftige Sauce, sonst nichts. Das Fleisch ist zart, hat einen feinen Wildgeschmack, der an Geflügel erinnert. Einfach gut. Zum Dessert wird ein saftiger Schokokuchen mit schwarzen Walnüssen, gebacken in Schmalz, serviert. Auf Empfehlung von Bekannten am Nebentisch kombinieren wir ihn mit dem Mangalica-Schinken, den wir bei den Vorspeisen weggelassen haben. Passt super. Das Otto mischt auf eine besondere Weise Old School mit Food-Hipness – und ist doch für alle Normalsterblichen leicht zugänglich.
Otto
Oderberger Straße 56, Prenzlauer Berg,