Fotos: Elisabeth Andraschko Aufmacher Willy Andraschko
Willy Andraschko

„Ich röste, also bin ich!“

Wer gerne guten Kaffee trinkt, für den ist der Name Andraschko ein Begriff. Was dazugehört eine gleichbleibende Qualität zu garantieren, warum Willy Andraschko und seine Frau Elisabeth regelmäßig zu den Kaffeefarmen fahren und warum schlechter Kaffee gern getrunken wird, erklärt er bei einem Gespräch

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Elisabeth Andraschko

Die Andraschkos haben ein neues Design bzw. ein Refresh vorgenommen. Wie kam es dazu?
Willy Andraschko: Der Begriff Manufaktur wird derzeit überstrapaziert von den unterschiedlichsten Firmen. Somit ist es im Kern kein Qualitätsmerkmal mehr. Deshalb haben wir uns mehr auf den Namen konzentriert. Und weil wir auch in Europa tätig sind, wollten wir Berlin als Aussage nicht mehr in den Vordergrund stellen.

Hat das speziell etwas mit Kaffeemanufaktur zu tun oder mit dem Begriff im Allgemeinen?
Es umfasst alles als Manufaktur. Das fängt bei der Essigmanufaktur an, die wirklich nur Manufaktur ist und geht hin bis zu Automanufaktur und großen Industriebetrieben, die sich mit Manufaktur greifbarer machen wollen.

Also war es euch wichtig, dass der Name Andraschko für gute handwerkliche Arbeit steht. Wie lange gibt es euch jetzt mittlerweile?
Jetzt sind es elf Jahre als Andraschko-Manufaktur.

Ihr seid auch mittlerweile in Wien tätig?
Ja, wir haben so etwas wie eine Niederlassung dort.

Dann wart ihr in London, um eure Fühler auszustrecken?
Anders als Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Italien, ist London nie Kaffee-besetzt gewesen. Auf dieses unschuldige Kaffee-London ist jetzt sozusagen die third wave direkt gekommen, ohne Tradition oder Vorläufer. Eigentlich mitten in den Tee hinein. London ist ein interessanter Markt, die Restaurantszene ist in den letzten 15, 20 Jahren hoch interessant geworden. Und London ist nicht von Industriekaffees besetzt wie Deutschland.

Ihr seid auch in der Schweiz aktiv? Wie sieht es mit Österreich und Italien aus?
Wir sind in der Schweiz und in Österreich aktiv, in Italien noch nicht. Aber das kommt.

Die Einschätzung für den Kaffeemarkt hast du ja für Großbritannien schon gemacht. Wie schätzt du denn Kaffeemarkt in Berlin ein?
Rösten ist Trend. Das könnte man überschreiben mit: Ich röste, also bin ich. Kaffee ist zum Trendprodukt geworden, es gehört zum Lifestyle. Jetzt gerade ist der Moment, wo der eindimensionale Trend aufbricht, wo mehr erlaubt ist, wo wir mehr experimentieren können, ohne den Anderen nachmachen zu müssen. Ich glaube, dass die Vielfalt wiederkommt. Und mit der Vielfalt kommt auch die Nähe zum passionierten Kaffeetrinker wieder.

Die Transparenz der Herstellung, das Kaffeerösten verlangt tiefer gehende Kenntnis, schafft also Verbindlichkeit zum Kaffeegenießer.
Wir werden eine Vielfalt erreichen, die tatsächlich auch eine Qualität produziert wie wir sie zum Beispiel im Weinbereich haben. Hier würde niemand hingehen und sagen: „Wir müssen das 25,5 Minuten auf der Maische vergären lassen, alles andere ist verboten“. Das passiert im Augenblick noch. Aber das wird aufbrechen und eine größere Vielfalt bringen, die hochinteressant ist. Weil der Kaffee nicht in den Industriebereich gehört.

Andraschko 1

Andraschkos sind nun keine kleine Rösterei. Ihr seid auf Gastronomie spezialisiert, ihr müsst also zuverlässig bestimmte Mengen immer liefern können.
Das ist der springende Punkt, wo die Professionalität beginnt. Wir konzentrieren uns auf größere Farmen. Die sogenannte first wave hat mit sich gebracht, dass im Ursprung dieser frühen Industrie, die Kaffees länderweise zusammengeschüttet wurden. Da gab es keine Differenzierung. Die second wave in den beginnenden 80er Jahren hat in Amerika gebracht, dass man wieder nach ursprünglicher Qualität gesucht hat und es wieder verstärkt auf Farmen runtergebrochen wurde.
Die Basis der third wave ist, dass wir Farm-Kaffee einkaufen können und keine Massenware. Wir müssen mit verlässlichen Partnern zusammenarbeiten, die etwas vom Farming verstehen. Wir sind immer auf der Suche nach Farmen, die Landwirtschaft betreiben wollen, vergleichbar mit den Winzern an der Mosel. Zur Produktion einer bestimmten Kaffeequalität gehört viel Ahnung. Und das sind uns die liebsten, qualitätsorientierten Farmen, die 70, 80 Hektar groß sind. Da beginnt die Größenordnung, bei der man Farmarbeit machen kann.

Ihr seid regelmäßig unterwegs und besucht einzelne Kaffeefarmen. Hat es einen speziellen Grund? Wie entscheidet ihr, welche Farm ihr besucht?
Das ist eine sehr persönliche Geschichte. Wir müssen mit den Leuten, die Kaffee produzieren, ein bestimmtes Einverständnis, eine Art Freundschaft entwickeln, weil wir am selben Projekt arbeiten. Ich möchte schon, dass ich vom Farmer Informationen über Wetter, Boden und über andere Probleme bekomme. So können wir nachhaltig unsere Kaffees so bestücken, dass sich die Qualität nicht alle drei Monate ändert. Wir zahlen lieber etwas mehr Geld und suchen die Farmer aus, mit denen man sich versteht, die eine ausreichend wirtschaftliche Farmgröße besitzen und die uns über Jahre beliefern können.

Wenn dir beispielsweise ein Farmer erzählt, dass er keine guten Verhältnisse durch zu wenig oder zu viel Regen hatte, könntest du dich dann beim Rösten, also Veredeln, darauf einstellen?
Ja, erstens das. Wobei der Hauptaugenmerk ehrlicher Weise auf der Menge liegt, die er produziert oder nicht produzieren kann. Da wir Verträge machen müssen, die teilweise bis eineinhalb Jahre in die Zukunft reichen, ist es für mich vor allem eine Indikation, wohin sich der Preis entwickelt. Gerade die brasilianischen Freunde sind sehr wichtig. Wenn z.B. die Blüte gut verläuft, dann gab es genügend Feuchtigkeit und Regen. Dann wird die Ernte wahrscheinlich gut ausfallen und der Preis nicht steigen.

Ihr wart bei eurer letzten Reise auch in Nicaragua?
Wir waren im November in Nicaragua bei Ulrich Salamun. Eine außerordentlich skurrile Person mit fünf Wohnsitzen auf dieser Welt. Drei davon in Nicaragua, zwei in Österreich. Er ist deshalb interessant, da er schon vor Jahren für den BiohändlerSonnentor begonnen hat, Gewürze zu suchen. Und zwar in so unschuldigen Gegenden, dass es sich da um echte Biogewürze gehandelt hat. Im Zuge dessen hat er Nicaragua als Land entdeckt, wo der Kaffeeanbau noch interessanter gestaltet werden kann. Denn hier gibt es gute Gegenden wie Jinotega und Matagalpa, die auch genügend Höhe haben. Über Höhe muss man bei Kaffee ohnehin in Zukunft nachdenken, weil das die für Qualitäts-Arabicas zur Verfügung stehenden Anbauflächen sind. Diese verlagern sich aufgrund der Klimakatastrophen nach oben. Nicaragua ist deshalb interessant, da es dort Gegenden gibt, in denen sich neue Farmen gründen lassen, weil Klima und Höhe vorhanden sind.

Und von ihm bekommt ihr Kaffee?
Von ihm haben wir jetzt einen Container gekauft. Das ist ein sehr schöner und interessanter Kaffee. Das ist der „los alpes“ und der „la pavona“ aus Nicaragua.

Das sind keine Filterkaffees, sondern die für Siebträger?
Wir überlegen noch, ob wir Filterkaffee machen.

Gehen wir zum internationalen Kaffeemarkt. Was passiert da an der Börse?
Bei diesem Thema werden viele Sachen vermischt, die Börse hat es immer gegeben. Das muss man eher pragmatisch und trocken sehen. Die Börse dient den Kaffeeproduzenten, sie hilft, den besten Preis für ihr Produkt zu erzielen. Eigentlich ist es auf der Börse so, dass die Gesamtheit der Käufer der Gesamtheit der Verkäufer gegenübersteht.

Hast du die Möglichkeit, z.B. bei einem Besuch in Nicaragua, direkt mit Ulrich Salamun zu dealen?
Das machen wir sowieso, das machen wir mit all unseren Farmen. An der Börse ist ablesbar, wie groß der Demand ist. Insofern hat die Börse auch auf unsere direkten Geschäfte Einfluss. Wenn wir beispielsweise Futures kaufen. Also wir kaufen sowohl Dollar als auch Kaffee – die berühmten Leerverträge –, die wir in der Zukunft auslösen können. Wenn das mit unseren Bauern verknüpft wird, hat der einen bestimmten Aufschlag, der fix ist.

Was heißt das genau?
Das ist die New Yorker Börse, Arabica-Kaffees werden in New York gehandelt. Da gibt es einfach einen virtuellen, einen fiktiven Preis. Wenn z.B. jemand eine sehr gute Qualität hat, sagt derjenige, dass er zwei Dollar über dem fiktiven Preis liegt, hat er einen einen Spread von zwei Dollar. Das heißt, wenn ich den in Zukunft kaufe, muss ich immer den Aufschlag von zwei Dollar bezahlen. Egal, wo die Börse ist, ich muss den fixen Aufschlag bezahlen.

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Kommen wir zum Phänomen Kaffeegenuss. Es ist beeindruckend, wie viel Kaffee die Deut­schen trinken. Es ist aber auch beein­druckend, wie viel schlechten Kaffee sie trinken.
Als Beispiel eine lustige Geschichte. La Marzocco ist eine der größten Espresso­maschinen­hersteller. Die Mutter von einem aus der Führungsriege kauft den objektiv schlechtesten italienischen Kaffee überhaupt. Und sie sagt zu ihrem Sohn, er soll sie in Ruhe lassen mit der La Marzocco-Maschine, sie macht ihren billigen neapolitanischen Kaffee in der Bialetti. Schluss.
Es gibt natürlich das Phänomen der Konditio­nierung. Das heißt, wenn ich schon immer schlechten Kaffee getrunken habe, habe ich eher ein Problem mit gutem Kaffee. Wenn man immer schlechten Kaffee getrunken hat, dann will man den auch. Weil es das eigene Geschmackserlebnis ist.

Ich dachte immer, dass das ungeheure Preisbewusstsein der Deutschen die Ursache ist, also dass sie lieber günstig kaufen statt mehr Geld für gute Ware auszugeben.
Ich würde das gern unterstreichen. Wir reden nicht über die Leute, die sich in den Bentley setzen und zehn Kilometer fahren, weil sie wissen, dass sie dort etwas billiger kriegen. Aber in Italien ist das Phänomen ähnlich. Dort können die Cafés nicht die Preise erhöhen. Da gibt es Boykotts, wenn der Espresso über einen Euro kostet. Dann gehen die Leute nicht mehr hin. Dieses Preisdiktat der Kunden in Italien hat auch letztendlich ausgemacht, dass die Kaffeequalität in Italien in den letzten 20 Jahren gesunken ist. Es wird wesentlich mehr Robusta verbraucht als früher.

Und wo siehst du die Zukunft des Kaffees?
Ich glaube, dass die Kaffeeproduktion noch kleinteiliger wird und dass man der Industrie noch mehr Teile wegnimmt als es jetzt schon der Fall ist.

Andraschko Kaffeemanufaktur
Industriestraße 18, Tempelhof, Tel. 030 69 59 86 87, www.andraschkokaffee.com