Fotos: Selina Schrader Aufmacher Landgut Schönwalde
Landgut Schönwalde

Radikale Landküche

Es ist nur ein Katzensprung von Schöneberg aus durch Spandau und Falkensee und schon fährt man durch ein kleines Waldstück und ist in Schönwalde

Inge Schwenger-Holst Landgut Schönwalde 1

Hier kurz hinter der Stadt hat sich Inge Schwenger-Holst mit ihrem Lebensgefährten den Traum vom eigenen Hof in Brandenburg erfüllt: dem Landgut Schönwalde. Erst sollte es nur ein Ort werden, an dem ihre Leidenschaft für den Polo-Sport und die Pferde ein Zuhause finden. Doch da das Gelände so groß war, folgte wenig später ein Gästehaus mit Gastronomie. Hier möchte man die Gasthauskultur mit einfachem guten Essen zelebrieren. Durch die Rahmenbedingungen nicht ganz einfach, wie sich bei dem Besuch zeigt.

Zwei Gebäudeteile eines ehemals herrschaftlichen Anwesens stehen noch auf dem Grundstück, deren Pracht leider durch die bewegte Geschichte der Region sehr gelitten hat. Das Holzparkett wurde einst in der DDR herausgerissen, um die schönen Innenräume besser als Lagerfläche nutzen zu können. Heute wird der Saal für Hochzeiten vermietet und bietet einmal in der Woche Platz für die Markt­schwärmerei, bei der Bauern aus der Region ihre Produkte anbieten.

Aus Berlin nach Schönwalde gezogen hat es sie vor über zehn Jahren wegen ihrer Leidenschaft zum Polo-Sport. Über 50 Pferde sind aktuell auf dem Landgut Schönwalde in den neu gebauten Ställen untergebracht, 19 davon sind ihre eigenen, die auch für die angegliederte Reitakademie eingesetzt werden. Die Leidenschaft für den Pferdesport hat sie auf eine innovative Geschäftsidee gebracht: Mittlerweile vertreibt sie einen speziellen Dung, Hippodung genannt, der, einmal eingestreut, nicht mehr ausgetauscht werden muss. Denn die Zusetzung eines Katalysators verhindert, dass klimaschädliche Faulgase entstehen. Auch für Kleintiere soll diese Streu bald unter dem Namen Zooloo auf den Markt kommen.

Landgut Schönwalde 2

Stand das Landgut anfangs noch ganz im Zeichen des Polosports, eröffnete 2012 auch das Gästehaus inklusive Restaurant. Beides liegt in einem quadratischen Neubau aus Holz, direkt neben den Pferdeställen und vor den Altbauten. Von der Straße aus nicht zu übersehen. Mit dem Umbau änderte sich auch die Ausrichtung der Anlage und der Fokus liegt heute vor allem auf der Gastronomie und den Übernachtungsgästen. Sechs Doppelzimmer und Apartments wurden alle farbenfroh nach verschiedenen Ländern wie Mexiko oder Indien gestaltet und im Restaurant und dem angrenzenden Clubraum ist Platz für bis zu 70 Personen. Ziemlich viel Raum so im Nirgendwo von Brandenburg.

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Dass sie vor allem die Gastronomie vor eine große Herausforderung stellen würde, war Inge Schwenger-Holst nicht von Anfang an bewusst. Sie wünscht sich vielmehr das Aufleben einer Landhauskultur wie in anderen europäischen Ländern: „Wir kochen so wie ich es von der italienischen und französischen Landküche kenne. Das fehlt uns hier in Deutschland. Uns fehlen nicht die Sterneküchen, uns fehlt nicht das 11-Gänge-Menü, wir brauchen die Gasthauskultur und die muss erhalten bleiben.“

Seit Ostern letzten Jahres steht Boris Steiner von Freitag bis Sonntag in der Küche vom Landgut Schönwalde, die auch im Slow-Food-Genussführer aufgeführt wird. Der gelernte Koch, der sonst für das Catering Ricarda Farnbacher arbeitet, pendelt aus Berlin, um auf dem Land auszuhelfen, und kocht eine wunderbare, aromenintensive frische Küche, wie man sie sich nach einem Tag an der frischen Luft wünscht. „Radikale Landküche“ nennen sie das hier, denn es wird nur verarbeitet, was aus der Umgebung kommt. Garantiert ohne Convenience-Produkte. Selbst beim Gut’s Burger wird das Bun selbst gebacken und das Ziegenfleisch für das Patty kommt vom befreundeten Bauern, nur 450 Meter Luftlinie entfernt.

„Wir möchten den Begriff Landküche auf alle Zutaten ausdehnen und nicht nur auf etwas, das man erwartet auf dem Land zu essen zu bekommen. Das ist das, was wir als radikal bezeichnen. Denn meistens hört die Landküche leider bei der Bezeichnung der Gerichte auf. Es wird Convenience eingesetzt und man bedient sich aus der Maggi-Versuchsküche und dem TK-Sortiment“, so die Gastwirtin über ihr Konzept.

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Inge Schwenger-Holst möchte uns das direkt persönlich zeigen und nimmt uns mit nach draußen. Auf den Wiesen rund um das Restaurant wachsen jede Menge Wildkräuter, die sie direkt dem Koch bringt. Labkraut hat sich angesiedelt, Giersch und Hahnenfuß. Auch Gurken, Tomaten, Paprika, Salate und vieles mehr bauen sie selbst an. Die beiden Zierschweine Emma und Willy, die hier ebenfalls zu Hause sind, sorgen dafür, dass die Böden aufgelockert werden.

In Zeiten des Virus hat sie gemeinsam mit Koch Boris Steiner einen Takeaway-Service entwickelt, der auch bei den Marktschwärmern angeboten wird. Das hat das Unternehmen über Wasser gehalten. „Zudem haben wir die Zeit genutzt und ein paar Umbauarbeiten erledigt. Wir haben den Grillplatz und die Terrasse erweitert. Und jetzt können endlich wieder Gäste bewirtet werden.“ (Susanna Glitscher)

Landgut Schönwalde
Dorfstraße 31, 14621 Schönwalde-Glien, Tel. 030 65 21 79 89, info@daslandgut.de, www.daslandgut.de, Freitags 16 bis 22 Uhr, Samstags 11 bis 22 Uhr, Sonntags und Feiertags 11 bis 20 Uhr,
Landküche „to go“: Fr 12-18 Uhr, Sa+So 10-18 Uhr (möglichst nach Vorbestellung unter Tel. 0172 386 60 75)