Die Japan Street auf der Anuga 2023 in Köln, Fotos: Constantin Ehrchen Aufmacher Anuga
Anuga 2023

Oishii! heißt köstlich

Gute Nachrichten aus dem Land der aufgehenden Sonne: Zwölf Jahre nach der Nuklear­katastrophe in Fukushima hat die EU die letzten Einfuhr­bestimmungen aufgehoben. Ein guter Anlass für unsere Autorin Gesa Noormann, sich Japans Neustart auf der Anuga in Köln aus der Nähe anzusehen

Die kürzeste Entfernung zwischen Berlin und Tokio beträgt 8.915,55 Kilometer Luftlinie. Zurücklegen musste ich sie für meinen kulinarischen Streifzug durch Japan allerdings nicht. Lediglich ein Zugticket nach Köln war für das Vergnügen nötig, mit allen Sinnen in die japanische Foodwelt einzutauchen. Auf der weltweit größten Lebensmittelmesse war Japan diesmal mit einem eigenen Pavillon vertreten und feierte im Rahmen der Japan Food Night das Comeback japanischer Spitzenprodukte in Europa.

Anuga Sushi

Dank verantwortungsvoller Dekontaminationsmaßnahmen und Einhaltung der Schutzauflagen können nun auch die letzten Fische, Wildpilze und Pflanzen mit Dekret vom 4. August 2023 wieder bedenkenlos genossen werden. Die Freude und Erleichterung ist Mayu Nishikawa aus dem japanischen Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei anzumerken, als sie zur Japan Night von JETRO (Japan External Trade Organization) das Podium betritt. War die engagierte Regierungsdirektorin doch maßgeblich daran beteiligt, die volle Vielfalt japanischer Lebensmittel wieder für den europäischen Markt zugänglich zu machen. „Ich möchte den EU-Ländern noch einmal für ihre Zusammenarbeit bei der Aufhebung der Einfuhrmaßnahmen danken“, sagt Mayu Nishikawa. „Umso mehr wünschen wir uns, dass Fisch aus Japan nun wieder als Spezialität auf den Tisch kommt – zu Hause und in den Restaurants.“


Lieblinge der Sterneköche

Bei Spitzenköchen rennt sie damit ohnehin offene Türen ein. Joji Hattori, Besitzer des japanischen Restaurants SHIKI in Wien und Schlüsselfigur der japanischen Küche in Europa, weiß von der hohen Qualität japanischer Lebensmittel: „Auch in Europa gibt es gute Jakobsmuscheln. An die Hotate aus der Region um Hokkaido mit ihrer Größe und ihrem festen, aromatischen Fleisch kommen sie allerdings nicht heran. Bei der Suche nach Spitzenerzeugnissen lande ich immer beim japanischen Produkt“, sagt Hattori. Auch Wasabi bezieht er aus Japan, nachdem der Versuch, ihn in Österreich zu kultivieren, gescheitert war: Die Wurzeln wachsen so langsam, dass der scharfe Rettich am Ende viel zu teuer wird.

Ebenfalls bekennender Fan der Hotate-Jakobsmuschel ist Sternekoch Marcel Förster aus dem Restaurant Agata’s. Regelmäßig stehen mit japanischen Zutaten zubereitete Gerichte auf der Karte des Düsseldorfer Gourmet-Restaurants. Am Abend der Japan Night beglückt er die Gäste mit zwei exklusiven Jakobsmuschel-Tellern – selten konnte man die Königin der Schalentiere in dieser Geschmacksvollendung probieren. Auch auf Sushi machen sie eine hervorragende Figur. Nur bitte nie mit der Reisseite in die Sojasauce tauchen. Japaner*innen geben sie grundsätzlich nur auf den Fisch, schließlich soll die kostbare Delikatesse nicht von Umami erschlagen werden.


Japanische Braukunstwerke

Angestoßen wurde selbstverständlich mit Sake, Japans Alternative zum Wein. Wie in Europa kaum bekannt, gibt es den nämlich auch in der Sparkling-Variante. Das im traditionellen Verfahren aus Reis, Wasser, Kōji-Schimmelkultur und Hefe hergestellte Getränk ist das außerhalb Japans wohl am meisten unterschätzte Braukunstwerk. Vor allem als Essensbegleiter wird Sake geschätzt, weil er im Gegensatz zum Wein keinen Kontrapunkt setzt, sondern sich ganz hervorragend mit den Speisen verbindet und vorhandene Aromen unterstützt.

Die Geschmacksrichtungen reichen von Junmai (kräftig) bis Daiginjõ (lieblich), der Geschmack hängt vor allem von der Reissorte (zum Beispiel Sasanishiki-Reis), dem Wasser und dem Poliergrad der Reiskörner ab. Je höher der Poliergrad ist, desto höher ist der Anteil an Reisstärke. Und je mehr vom Reiskorn entfernt wurde, desto leichter schmeckt der Sake – Premium-Sake hat einen Poliergrad von 70 bis 50 Prozent. Die Nuancen, die ich beim Verkosten erschmecken kann, sind erstaunlich, und die Aromen-Komplexität liegt jenseits der erwärmten, vermeintlich hochprozentigen Spirituose, mit der wir Sake früher in Deutschland verbunden haben.


Am Anfang war der Reis

Sake ist nur eines der vielen Produkte, die aus Reis hergestellt werden. „Kome“, wie das weiße Gold auf Japanisch heißt, ist ein wichtiger Teil der japanischen Identität und Tradition. Die Kunst des Reiskochens, die richtige Menge an Wasser, die richtige Temperatur und die Ruhe, die beim Rühren des Reises erforderlich ist, werden von Generation zu Generation weitergegeben. Über 400 Reissorten gibt es in Japan, zu den bekanntesten zählen die Sorten Japonica, der zu den besten Reissorten Japans zählende Koshihikari oder Akitakomachi, der nach der Präfektur Akita benannt ist und für seine hohe Resistenz gegen die Kälte dieser Region bekannt ist.

In der Regel hat der japanische Reis runde Körner und eine charakteristische klebrige Textur, die ihn für viele traditionelle japanische Gerichte prädestiniert. „Köstlichen Reis gewinnt man, wenn die opulenten Segnungen der Erde fleißig genutzt werden“, sagt man in Japan. Dazu gehören das hochwertige Wasser, die große Temperaturdifferenz zwischen Sommer und Winter, Tag und Nacht und das feuchte, warme Klima.

Sternekoch Marcel Förster, Mayu Nishikawa, Autorin Gesa Noormann und Junnosuke Kawabe Anuga Gruppenbild

Vertiefung der bilateralen Beziehungen

Die kulinarische Reise – in Begleitung mit Junnosuke Kawabe, erster Sekretär der japanischen Botschaft und Regierungsdirektorin Mayu Nishikawa – bietet zudem die Gelegenheit, mehr über die deutsch-japanischen Beziehungen zu erfahren. Mayu spricht fließend Deutsch, Junnosuke lernt noch. Als Land mit einem des höchsten Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Person unter den europäischen G7-Ländern birgt der deutsche Markt großes Potenzial für Japan. Nach den Niederlanden und Frankreich belegt Deutschland im Exportranking für japanische Lebensmittel immer noch den 15. Platz. Die tatsächliche Beliebtheit japanischer Lebensmittel ist sogar noch höher, da viele davon über die Niederlande importiert werden – und das Interesse wächst: „Auch auf politischer Ebene haben sich die bilateralen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland in diesem Jahr vertieft, zum Beispiel durch die im März begonnenen Regierungskonsultationen zwischen Premierminister Kishida und Bundeskanzler Scholz. Eine Fortsetzung ist geplant“, freut sich Junnosuke Kawabe.


Lieblingstee der Deutschen

Die Spitze der importierten Produkte führt in Deutschland grüner Tee an, und dabei insbesondere Bio-Tee. Wer einmal eine japanische Tee-Zeremonie miterlebt hat weiß, mit welcher Vollkommenheit die heiße Kostbarkeit zubereitet und serviert wird. Japanische grüne Tees werden aus den zarten Blättern der Camellia sinensis hergestellt. In einem einzigartigen Verfahren werden die Teeblätter nach der Ernte gedämpft, gerollt und getrocknet, um ihre Frische und grüne Farbe zu bewahren. Vom am häufigsten konsumierten Sencha über Bancha, Genmaicha mit geröstetem Reis bis hin zu Gyokuro, dem Spitzenerzeugnis unter den japanischen Grüntees, gibt es viele Teevariationen.

In den letzten Jahren hat auch der kostbare, aus der Teezeremonie bekannte Matcha-Tee – ein feines Grünteepulver, das in heißem Wasser aufgelöst und zur Verfeinerung von Süßspeisen verwendet wird – in Deutschland an Popularität gewonnen. Für die vollkommene Teezubereitung unbedingt das Wasser filtern: im Vergleich zum weichen japanischen Wasser ist es hierzulande nämlich viel zu kalkhaltig.


Der ultimative Mochi-Kick

Auch zu Reismehl lässt sich das weiße Wunderkorn verarbeiten. Es findet in Backwaren und Süßigkeiten wie den auch hierzulande bekannten Mochis Verwendung. Letztere polarisieren bekanntlich, und weil ich zum Team „Love it“ gehöre, probiere ich die bunten, mit Sahne und Fruchtaromen gefüllten „Daifuku“. Auf der Suche nach dem ultimativen Mochi-Kick bekomme ich den Tipp, am Stand der Gunma Reismühle frische, handgemachte Mochi zu probieren: Was für eine Offenbarung im Vergleich zur faden Industrieware.

Außerhalb Japans dürfte es allerdings schwer sein, frische Mochi zu bekommen, also am besten selbst machen. Das ultimative Rezept für „Mochi mit Sommerfrüchten“ hat uns Risa Nagahama verraten. In ihrem neuen Kochbuch „Japan – Die fünf Geheimnisse der japanischen Küche“ entführt sie uns in die hochästhetische, zeremonielle Welt japanischer Küche. Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die tiefer in die japanische Kulinarik einsteigen möchten.


Umami-Wunder: Miso und Shiitake

Ebenfalls aus der japanischen Küche nicht wegzudenken ist Miso. Die traditionelle japanische Würzpaste wird aus fermentierten Sojabohnen, Reis oder Gerste mit Hilfe von Koji-Bakterien hergestellt. Über 1000 Typen von Miso gibt es, darunter die Hauptsorten weißes, rotes und gemischtes Miso. Wie Sojasauce wird es in der japanischen Küche verwendet, um Suppen, Saucen, Marinaden und andere Gerichte zu würzen.

Inzwischen gibt es auch in Deutschland gute Miso-Hersteller wie die Berliner ,mimi ferments‘. Da es sich hier allerdings um junge Bakterienstämme handelt, reicht das Ergebnis in seinem Umami-Grad oft nicht an die aus uralten Koji-Stämmen fermentierte Miso heran. Der für die japanische Küche so wichtige und inzwischen auch bei uns bekannte Begriff „Umami“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie „herzhaft“ oder „wohlschmeckend“.

Erstmalig wurde diese fünfte der Geschmackrichtungen (neben süß, sauer, salzig und bitter) vom japanischen Chemiker Kikunae Ikeda im Jahr 1908 identifiziert. Umami entsteht, wenn die in bestimmten Lebensmitteln enthaltenen Proteine in Aminosäuren umgewandelt werden. Viele der fermentierten und getrockneten japanischen Lebensmittel wie Sojasauce, Miso, Sake, Essig, Mirin, Kombu und Shiitake sind wahre Umami-Wunder. So entdeckte ich auf einer Verkostung im japanischen Pavillon, wie das Pulver vom getrockneten Shiitake-Pilz den Eigengeschmack der Speisen boostert und es direkt für zu Hause mitgenommen.


Wagyū ist nicht gleich Wagyū

Junnosuke und Mayu führen auf der Reise weiter zu einem der kulinarischen Höhepunkte Japans – dem Wagyū-Rindfleisch. In Spitzenqualitäten kann das Kilo bis zu 600 Euro kosten. Das fein marmorierte Fleisch schmilzt nicht nur auf der Zunge, sondern bereits bei Zimmertemperatur. Deshalb braucht es eigene Wagyū-Meister*innen, um das gekühlte Fleisch sachgemäß zu schneiden und zuzubereiten.

Das Besondere an dem Fleisch ist die Sashi genannte Maserung von weißem Fett und rotem Muskelfleisch, die in ihrer Schönheit an italienischen Marmor erinnert. Echtes Kuroge-Wagyū-Fleisch – bekannte Rassen sind Kobe, Matsusaka oder Tajima – schmeckt entsprechend der Herkunft aus einer der 47 verschiedenen Präfekturen immer einzigartig.

Da Japan sich den Begriff Wagyū nicht hat schützen lassen, darf sich heute jedes auch nur entfernt mit der japanischen Rasse gekreuzte Rind, das wie in Japan üblich weder mit Reisstroh gefüttert noch liebevoll massiert wurde, so nennen. Mit dem meist deutlich fetteren Original hat das dann etwa so viel zu tun wie Champagner mit Rotkäppchen-Sekt.


Bezugsquellen für japanische Produkte in Berlin:

Japan Plaza
Rochstraße 14e, Mitte, www.japanfoodexpress-shochiku.de/japanplaza,
Supermarkt: Mo-Do 9-19 Uhr, Fr+Sa 9-20 Uhr, Bistro: Mo-Do 11.30-20.30 Uhr, Fr+Sa 11.30-21 Uhr

HIS Japan Premium Food & Travel
Leibnizstraße 59, Charlottenburg, www.his-food-travel.com, Di-Sa 10-19 Uhr