Fotos: Marvin Pelny Lena König Aufmacher
Lena König

„Die Menschen, die mein Essen essen, sind meine größten Kritiker“

Lena König ist seit ein paar Wochen die wohl jüngste Küchenchefin in Berlin. Was es heute heißt, auf der Karriere­leiter weiterzukommen, erzählt sie bei einem Gespräch in der Gallery Rooftop Bar

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Marvin Pelny

Ich bin auf Sie aufmerksam geworden, weil Sie an einem Wettbewerb teilnehmen.
Lena König: Ja, Koch des Jahres. Ich bin die vierte Frau in – ich glaube – acht Jahren, im Vorfinale.

Und wann haben Sie sich zu diesem Koch-Wettbewerb angemeldet?
Das war schon vorher, die haben mich schon gefragt, als ich noch gecatert habe. Ich hab mich schon dreimal beworben. (Lacht)

Sie haben sich schon dreimal beworben?
Einmal, das war nicht so eine gute Bewerbung, das muss ich ganz ehrlich sagen. Das zweite Mal hat es nicht gereicht und das dritte Mal jetzt, naja ...(Lacht)

Und was heißt das jetzt für Sie, was passiert jetzt bei diesem Wettbewerb?
Der Wettbewerb findet an zwei Tagen statt. Am ersten gibt es eine Küchenparty mit Gästen und Sponsoren sowie ein ausgedachtes Amuse-Gueule jedes Kandidaten, eine Friesenkrone-Challenge und Vorbereitungen für den nächsten Tag. Und dann ist der Wettkampftag, mein Assistent und ich kochen dann ein Drei-Gänge-Menü.

Wie unterscheidet sich dieser Wettbewerb von den anderen?
Es sind jetzt nicht ganz so die Jung-Köche wie die jungen Wilden vom Rolling Pin, die allen zeigen wollen, hey, ich will es jetzt machen.

Sind denn solche Preise hilfreich bei einer Bewerbung?
Die Prämierung als Koch des Jahres öffnet dir viele Türen. Aber richtige Anerkennung kriegst du durch deine Gäste, durch Mundpropaganda, durch das Restaurant, wo du kochst, wo du du selbst bist.

Aber Sie sind scharf auf einen Stern?
Ich bin da ganz zwiegespalten, weil vieles dafür spricht und vieles dagegen.

Was spricht dafür? Nur ein Beispiel.
Es ist die höchste Auszeichnung!

Es bringt Gäste, es bringt Renommee ...
Ja, aber den Stern zu behalten ist nochmal ein anderes Thema. Wer mich zum Beispiel anspornt und fasziniert, ist Eugénie Brazier aus Lyon, das war die Lehrmeisterin von Paul Bocuse. Das war die erste Frau, die erste Person, die sechs Sterne gleichzeitig hatte.

Weil sie mehrere Restaurants hatte?
Ja, sie hatte zwei Restaurants mit jeweils drei Sternen.

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Na, ich sehe hier ja schon die neue Sechs-Sterne-Köchin ...
Ganz ehrlich, das ist meine persönliche Meinung: Auszeichnen tut dich der Gast. Die Menschen, die mein Essen essen, die sind meine größten Kritiker. Und meine Familie eigentlich auch.(Lacht)

Kochen Sie auch privat?
Ja, bei uns zuhause in der Familie wird Essen zelebriert. Bei uns gibt es selbstgemachte Speisen und wir gehen auch gerne alle zusammen essen. Das finde ich auch schön, dass wir in unserer Familie eine Ess- und Trinkkultur haben.

Es ist ja immer noch bemerkenswert, wie wenig Frauen sich nach vorne kämpfen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich glaube, dass der Job generell nichts für Prinzessinnen ist. Die Gastronomie ist nicht familienfreundlich, man muss sich ein dickes Fell wachsen lassen und du musst eine Type sein. Du kommst heute mit Nettigkeit nicht weiter. Es ist nach wie vor eine Männerdomäne, weil es ein schwerer Beruf ist. Eine Frau kann da nicht mal eben so 30 Kilo tragen. Doch die Tendenz ist steigend, es gibt immer mehr Frauen in den Profiküchen, aber in meiner Lehrzeit waren es noch nicht so viele.

Wo haben Sie gelernt?
In Bad Kleinkirchheim in Kärnten. Ich habe aber eine Dual-Ausbildung gemacht. Ich habe zuerst Koch gelernt und dann noch einen Diplom-Abschluss in der KTS Kärntner Tourismusschule in Villach als Hotelkauffrau gemacht.

Sind Ihre Eltern auch in der Gastronomie tätig?
Nein. Meine Mutter war Kindergärtnerin. Mein Vater Ingenieur. Meine Urgroßmutter, das ist ziemlich interessant, die ist aus Travemünde, die war Köchin. Mein Urgroßvater war Diener und Kellner. Es ist interessant, dass zwei Generationen übersprungen worden sind, denn meine Schwester hat auch unter anderem die Hotelfachschule erfolgreich absolviert.

Wie ging es nach der Lehre und der Weiterbildung zur Hotelfachfrau weiter?
Dann bin ich nach England gezogen, nach Jersey, und habe da ein Praktikum gemacht.

In einem Restaurant? In welchem?
Das gibt es leider nicht mehr, die Company gibt es noch. Aber es war Jersey Pottery, die stellen ihr eigenes Porzellan her und führten nebenbei Restaurants, eins hat einen Stern und das andere war ein Familienrestaurant, da hab ich das Praktikum gemacht. Das war eine sehr schöne Erfahrung, deshalb habe ich meine Sachen gepackt und bin dahin gezogen.

Und Sie waren die einzige Frau in der Küche?
Nein, da waren schon mehrere.

Haben Sie das Gefühl, dass da mehr an Bewegung in der Küche ist als hier?
Man darf nicht vergessen: Frankreich hat mehr Köche als wir und England generell auch. Also da üben mehr Leute den Beruf Koch aus als bei uns. Es gibt also mehr Personal an sich. So war es jedenfalls bei mir von 2006 bis 2009.

Das ist ja spannend. Heute heulen alle, weil es zu wenig Personal und Köche gibt.
Ja, jetzt ist das so. Aber damals in dem Sterne-Restaurant, wo ich gearbeitet habe, da hast du drei Interviews geben müssen und da warst du nicht die Einzige, da waren 15 andere Köche, die sich beworben haben.

Und nach Jersey?
Nach Jersey bin ich nach Graz gegangen. Dort hab ich die Wahl gehabt, ob ich zur Johanna Maier gehe, die 2005 zwei Sterne hatte. Ich habe mich dann aber doch entschieden, im Casino-Restaurant in Graz zu bleiben, so habe ich auch meinen Mentor und guten Freund Andreas kennengelernt. Ich hab viel von ihm gelernt. Das war eine harte Schule, aber fair. Dann war ich mal kurz Küchenchef, das war aber nur ein Gastspiel. Und dann bin ich ins Erzherzog Johann, dort haben wir zusammen mit dem Küchenchef eine Haube erkocht. Nach zwei Jahren wurde das Hotel neu verpachtet und ich zog weiter. Und dann hat mich mein alter Kollege Andreas angerufen und gefragt, was machst du, arbeitest du bei mir? Dann haben wir Catering gemacht, unter anderem VIP-Verpflegung für Robbie Williams, Avicii, Metallica usw.

Auch schön und kalkulierbar, oder?
Ja, weil es Catering auf hohem Niveau ist. Ich bin da jetzt zwar auch schon wieder fast zwei Jahre weg, aber das war eine schöne Erfahrung. Da kann man mal auf einem anderen Level kochen. Bei uns war alles handgemacht und du hattest genug Zeit, um alles vorzubereiten für die 50 bis 1000 Leute.

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Das ist schon eine Leistung. Und wieso dann jetzt Indigo?
Ich finde, Indigo-Hotels sind individuell, du hast generell einen Standard, aber sehr individuell geprägt. Jedes ist anders eingerichtet und immer mit einer Neighborhood-Story verbunden. Du kannst dich selbst, wenn du in diesem Betrieb arbeitest, mit deiner Umgebung identifizieren. Das hat mich gereizt und auch das Restaurant. Weil wir deutsche Tapas neu interpretiert machen. Das heißt jetzt nicht, dass es nur Weißwurst mit Brezeln gibt. (Lacht) Wir haben jetzt zum Beispiel auch ein bisschen orientalisch angehauchte Gerichte, wie es eben in den Kiezen von Berlin so zugeht. Berlin ist ja ein Schmelztiegel der Kulturen. Und ganz ehrlich, dann kann man das auch auf der Karte widerspiegeln.

Sind Sie Küchendirektorin oder -chefin?
Küchenchefin. Wir sind noch zu klein. (Lacht)

Wie gehen Sie mit ihren Mitarbeitern um?
Es gibt eine klare Hierarchie. Ich hab die harte Schule erlebt. Die Gastronomie ist kein einfaches Pflaster. Ich hab schon mit den schlimmsten Cholerikern zusammengearbeitet. Ich bin eher ruhig, auch wenn viel zu tun ist. Ich bin dann etwas strenger. Und wenn man etwas zum dritten Mal erklären muss, dann wird wohl jeder etwas lauter, das ist doch überall so. Generell ist es so, wenn du unsicher bist und Nervosität ausstrahlst, springt das ganz schnell auf das Team über.

Sie bevorzugen klare Ansagen.
Ja, aber ich lasse meinem Team schon seine Freiheit. Jetzt in der Anfangsphase halten sich alle an die von mir entwickelten Rezepturen. Später soll das Team eigene Ideen entwickeln. Das kenne ich von meinen anderen Restaurants, da gehe ich hin und sage: Hier ist ein Sellerie, hier ist ein Apfel, hier ist Fisch, mach was draus. Und das Beste nehme ich dann. Das hab ich auch gelernt von meinem alten Küchenchef und Mentor Andreas. Ich hab immer so viele Ideen gehabt und er hat mich immer wieder gefördert.

Gefördert und gefordert?
Es hat mir geholfen, weil ich mich zum Besseren entwickelt habe. Ich musste immer weitermachen und ausprobieren. Und als ich das kurze Gastspiel als Küchenchef hatte, war er der erste Gast. Dann saß er da mit seiner Freundin und hat gesagt: So, die ganze Karte mal servieren. Und das ist natürlich eine tolle Bestätigung. Er ist sehr streng gewesen, aber auf der anderen Seite ...

Was heißt „streng“?
Streng heißt, dass du genaues Arbeiten lernst und dein Gelerntes zur Perfektion bringst. Risotto frisch zubereiten habe ich bei ihm gelernt. Ich kann es in 20 Minuten machen. Er stand neben mir und da hieß es: Rühr das Risotto – und das 20 Minuten lang. Und ich habe gerührt und aufgepasst, dass es nicht anbrennt. Aber dank der harten Schule bin ich heute so weit gekommen und auch von meinem alten Küchenchef habe ich jetzt die Bestätigung bekommen.

Gallery Restaurant und Gallery Rooftop Bar
im Hotel Indigo – East Side Gallery, Mühlenstraße 13-19, Mitte, Tel. 030 29 77 20 60, info@indigoberlin-eastsidegallery.de, www.mercedes-platz.de/essen-trinken/gallery-restaurant, www.mercedes-platz.de/essen-trinken/gallery-rooftop-bar