Fotos: Johannes Paetzold Aufmacher Glasgow, Schottland
Glasgow, Schottland

Die drittgrößte Stadt von (Noch-) Großbritannien hat sich von ihrem industriellen Niedergang erholt. Seit den 90ern wird in Architektur und Kultur investiert. Die meisten Museen können umsonst besucht werden, die Buchanan Street hingegen ist ein Einkaufsparadies. Die Glaswegians sind nicht englisch-höflich, sondern schottisch-freundlich, ihre direkte Offenheit lässt eine gemeinsame DNA mit Berlin vermuten. Glasgow ist als Musikstadt berühmt – Simple Minds, Franz Ferdinand, Belle & Sebastian sind Kinder der Stadt. Aber eine Foodie-Stadt? Think Again! Glasgows Restaurants bieten Qualität, Innovation und Tradition, und das zu erschwinglichen Preisen. Johannes Paetzold hat sich ganz schnell in Glasgow verliebt

The Willow Tea Rooms Trust 1

Historischer Tearoom

Um die Jahrhundertwende entwarf Glasgows wichtigster Architekt und Designer Charles Rennie Mackintosh den Tearoom. Die Geschäftsfrau Catherine Cranston ließ ihm großzügig vollkommen freie Hand und der Perfektionist, fasziniert von geometrischen Formen und dem britischen Jugendstil, lieferte hier sein Meisterstück ab. Erst vor einem Jahr haben Schottlands beste Handwerker und Innenarchitekten seine Arbeiten zu voller Schönheit renoviert. Im zweiten Stock liegt der Men’s Room, darunter der Ladies Room, akribisch sind Teppichmuster und Möbel aufeinander abgestimmt.

The Willow Tea Rooms Trust 2

Der Tearoom im Erdgeschoss öffnet sich nach hinten in den zweiten Stock zur Empore. Der Earl Grey Tea ist perfekt, dazu gibt es ein schottisches Frühstück: Eier, butterweich, Black Pudding (Blutwurst), Square Sausage, Portobello Mushroom, und natürlich Haggis – Schottlands traditioneller Stolz: Schafs­innereien mit Hafer gemischt. Kräftig, würzig, frisch. Schottlands größter Dichter Robert Burns hat sogar eine Ode an Haggis gedichtet. Ein Gedicht, ein Muss, aber nichts für schwache Mägen.

The Willow Tea Rooms Trust
217 Sauchiehall Street, Glasgow, G2 3EX, www.mackintoshatthewillow.com


Two Fat Ladies 1
Two Fat Ladies 2

Zwei dickere Damen

Das Two Fat Ladies ist in einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert untergebracht. Die beiden dicken Damen sucht man vergeblich, die Hausnummer 88 steht sinnbildlich für zwei weibliche Körper in Rückansicht. Mahagoni- und Eichentische, Buntglas und Regale und Wände voll mit Kunst und Nippes; man kann sich schon beim Rundgang satt sehen. Das Fat Ladies rangiert auf Augenhöhe mit dem Ubiquitous Chip, hat aber eine jüngere Geschichte. Seit 2007 werden hier regionale Produkte verarbeitet. Beef aus der Grafschaft Ayrshire im Südwesten Schottlands. Aber vor allem liefert wieder das Meer von beiden Küstenseiten die frischesten Gaben. Jakobsmuscheln von der Westküste, Seezunge mit geräuchertem Cheddar, Heilbutt mit Koriander-Sauce und Avocado-Mousse.

Das Two Fat Ladies setzt einen üppigen Schlusspunkt mit Desserts wie Basilikum-Panna-Cotta, Schokolade mit Rum-Gateaux begleitet von gebackener weißer Schokoladen-Eiscreme. Wir dürfen an diesem Abend die Köche ein Stockwerk höher besuchen. An die Küche grenzt ein kleiner, zuerst unscheinbarer Raum, mit einem Tisch für acht Personen, über eine große Glasscheibe direkt verbunden mit Blick in die Küche. Chef’s Table bekommt hier nochmal eine andere Bedeutung und kann für Gruppen gebucht werden. Näher an die Küche käme man nur, wenn man selbst mitkocht.

Two Fat Ladies at The Buttery
652-654 Argyle Street, Glasgow, G3 8UF, http://twofatladiesrestaurant.com


Hutchesons City Grill 2

Lachsblume

Der Hutchesons City Grill ist ein altes umgebautes Krankenhaus. Wieder einmal entfalten sich die Räume über mehrere Etagen. Mit einer Cocktailbar und dem Restaurant, das vor allem tagsüber eine gefragte Anlaufstelle ist. Die Tradition des Sunday Roast steht im Angebot, und das Surf&Turf-Menü. Und ein Frühstück, bei dem Scrambled Eggs in einen bissfest-perfekten Lachs aus Schottland zu einer Kugel geformt wird. Dazu frischen Spinat. Und beim ersten Hineinschneiden entfaltet sich der Ball wie eine Blume.

Hutchesons City Grill
158 Ingram Street, Glasgow G1 1EJ, www.hutchesonsglasgow.com


Ubiquitous Chip

Fish ’n’ Chips

Das Ubiquitous Chip hat Schottland auf die Landkarte der Gourmets gesetzt. In den 70ern, als Fish ’n’ Chips, fettig gebackener Fisch und schmierige Fritten noch die Speisekarte dominierten. Die allgegenwärtigen Chips (Ubiquitous Chips) gingen Gründer Colin Clydesdale so auf die Nerven, dass er alles servierte, aber eben nicht mehr die Fettfritten. Dafür die Seefrüchte Schottlands, Kabeljau von den Shetland-Inseln, Austern, Shrimps. Clydesdale hat Glasgow auf die Foodie-Landkarte gesetzt; seit seinem Tod führt sein Sohn als Chefkoch das Restaurant.

Mehrstöckig und eine Mischung aus Pub, Brasserie, Fine Dining, viktorianischem Landhaus und botanischem Garten, dazu verschlungen wie Hogwarts, bietet das Chip alles von edlem Whiskey über Draft Beer zu Menüs, die mit hohem Produktbewusstsein und schlichter Schönheit aufwarten. Schweinebauch mit gerösteter Gerste, dazu Sellerie und Sherry Jus. Oder: Lamb Neck, Aubergine Puree, Artichoke, Roast Tomato. Natürlich – die eigene Haggis-Variante gibt es als Vorspeise. Das Chip liegt im Viertel Finnieston. Hier reiht sich Pub an Restaurant, im Lebowskis trinkt man sich durch alle Variationen von White Russian. Das Kelvingrove Café ist zu ebener Erde ein Lunch Pub, im Keller werden Snacks zu einer beeindruckenden Whiskey-Auswahl präsentiert.

Ubiquitous Chip
12 Ashton Lane, Glasgow G12 8SJ, www.ubiquitouschip.co.uk

El Perro Negro

Vielleicht noch einen Happen danach für den Nachhauseweg? Preisgekrönt sind die Burger von El Perro Negro. Der Black Dog Burger wird aufgetischt mit Knochenmarkbutter, Burger Cheese, Black Pudding, karamellisierten Zwiebeln und Pickles. Manchmal kann ein Burger eben doch viel mehr sein als eine Boulette im Weizenbrötchen.

El Perro Negro
966 Argyle Street, Finnieston G3 9LU Glasgow, www.el-perro-negro.com


The Ivy

Whiskey & Cocktails

The Ivy liegt im Shopping-Viertel an der Buchanan Street. Relativ neu und als Brasserie aufgebaut. Aber als Restaurant und Coffeehouse-Kette hat es eine Tradition, die zur Jahrhundertwende zurückgeht, nämlich mit dem ersten Ivy in Londons Westend. Schon dort trafen sich Künstler und Businessmen zu Kaffee und Scones. Heute nimmt man einen guten schottischen Whiskey zu sich, schlürft sich durch die Gin&Tonic- oder durch die Cocktail-Liste und lässt den Tag ausklingen. Für Gruppen wurde The Morgan Room im ersten Stock ausgebaut, von hier aus kann man auch in intimeren Kreis das Treiben auf der Buchanan Street beobachten.

The Ivy
106 Buchanan Street, Glasgow, G1 2NB, www.theivyglasgow.com