Fotos: Florian Kottlewski Aufmacher Jonathan Kartenberg
Jonathan Kartenberg

„Morgens, bevor ich aus dem Haus gehe, trinke ich eine Tasse Chaga Tee“

Jonathan Kartenberg ist Chef von den Restaurants Irma La Douce, vom Eins44 und dem Onlineportal The Good Taste. Und er hat Gastronomie im Blut

Der heute 29-Jährige erinnert sich an den frühen Start im zarten Alter von 16 Jahren. „Ich wollte neben der Schule jobben, aber Regale im Supermarkt einräumen, das war mir nichts.“ Also hat er sich bei einem angesagten Club vorgestellt – und wollte hinter der Bar arbeiten. Das klappte dann auch, zwar nicht so glamourös wie gedacht. Immerhin: Er füllte die Kühlschränke auf, spülte die von der Nacht übrig gebliebenen Gläser. Er freut sich heute noch, dass er 30 Cocktailgläser stapeln kann. Mehr und mehr wuchs er in das Business. Und irgendwann war die Schule nicht mehr die Zukunft, sondern der Job. Bei dem galt damals noch die Devise: Gegessen und getrunken wird immer. „Wenn du reden kannst, Teller tragen und freundlich bist, dann kannst du es weit bringen“, so sein damaliger Chef. Heute ist davon, von der Krisensicherheit der Gastronomie, nicht mehr die Rede.

Bevor wir ins Detail gehen, bestellen wir. Es gibt kein klassisches Frühstück, sondern z.B. English Breakfast mit Bacon und Bohnen. Jonathan bestellt drei Rühreier mit Crème fraîche, Estragon, Basilikum auf Roggenbrot mit etwas Chili-Öl, die weitere Wahl fällt auf den Marsala-Kicherbsen-Toast mit grünen Bohnen, Koriander und Mango-Achar. Beides kommt auf einer dicken gerösteten Sauerteig-Brotscheibe von der Bäckerei Albatross auf den Tisch und ist köstlich.

Jonathan Kartenberg 1

Jonathan Kartenberg frühstückt eigentlich nicht. Nur am Wochenende mit seiner Familie. „Das ist manchmal chaotisch, aber wir holen Brötchen und bereiten gemeinsam das Rührei zu.“ Unter der Woche? „Morgens, bevor ich aus dem Haus gehe, trinke ich eine Tasse Chaga Tee.“ Der Chaga-Pilz, ein Baumpilz, soll die körpereigene Abwehr stärken, die Leber schützen, die Ausdauer und geistige Leistungsfähigkeit anregen.

Das kann in diesen Zeiten nicht schaden. Und gleichzeitig gibt es eine Seite von Jonathan Kartenberg preis. Denn er hat es nicht so mit den Einblicken in sein Privatleben. Bei seinen unternehmerischen Vorhaben steckt viel Herzblut, persönliches Engagement dahinter. Er verwirklicht sich in seiner Arbeit. Denn der Chaga Tee, ein Pilzgetränk, gehört zum Sortiment von Vividsoil, dem jüngsten Unterfangen, das er mit zwei Freund*innen vor kurzem gegründet hat.

Wenn der Mann etwas macht, dann macht er das voller Tatendrang. Man kann sich kaum seiner Energie erwehren. Er teilt gerne und temperamentvoll seine zielorientierten Gedanken und Ideen. Das ist nur ein Grund, warum er keine Mitarbeiter*innen in den Zeiten der Pandemie und den damit verbundenen Schließungen der Restaurants verloren hat. Der andere ist: er hat mit dem Online-Shop The Good Taste für weitere Beschäftigung gesorgt, nicht nur für sein Team, sondern auch für andere Gastronom*innen. Die Idee hätte schon länger in ihm geschlummert. Die zeitlichen Umstände seien günstig gewesen. In anderen hätte das ein großes Marketingbudget bedeutet.

Heute, so sagt Kartenberg, sind die harten Zeiten vorbei, und das Angebot von The Good Taste hat sich weiterentwickelt und den Bedürfnissen der Gäste angepasst. Der Mann beweist Weitblick und hat von Anfang an den talentierten Koch Liam Valentine ins Boot bzw. in die Produktionsküche geholt, der für Pies, Patés, Pasta und Terrinen sorgt.

Irgendwie hat Kartenberg ein spezielles Gespür für seine Mitarbeiter*innen. Jedenfalls versammeln sich in seinen Restaurants und Unternehmungen namhafte Küchenchefs und Gastgeberinnen. Z.B. Daniel Achilles (eins44), der schon mal zwei Sterne im damals eigenen Restaurant Reinstoff erhalten hat, Katharina Bambach, die dieses Jahr als beste Berliner Gastgeberin ausgezeichnet wurde oder Michael Schulz (Irma la Douce), der den ersten Michelin-Stern erhalten hat und sich auf Sascha Hammer, einen hervorragenden Restaurantleiter, verlassen kann. „Ein gewisser Spirit, gemeinsames Engagement für die einzelnen Projekte“, so nennt Kartenberg das, was sie alle zusammenbringt.


„Ein gewisser Spirit, gemeinsames Engagement für die einzelnen Projekte“, so nennt Kartenberg das, was sie alle zusammenbringt.

Auf die Frage, wie er mit dem Fachkräftemangel umgeht, beweist er Empathie und versteht, dass viele Einsteiger*innen in die Gastronomie die Motivation verloren haben. „Wenn du 1500 Euro netto verdienst und dann in 70 Prozent Kurzarbeit rutschst, wie sollst du davon deine Existenz sichern.“ Für Kartenberg ist eines ganz klar: Es wird sich in der Gastronomie, in allen Bereichen etwas ändern müssen. Fingerspitzengefühl und mehr Flexibilität sei angesagt. Gerade hat er zwei studentische Aushilfen eingestellt. Beide haben keine Gastronomieerfahrung, aber kochen gerne und haben Lust, mehr über Getränke und Essen zu erfahren. „Wir machen es diesen Leuten zu schwer, an die Jobs überhaupt ranzukommen. Voraussetzung sind Umgangsformen, der Wille, was zu lernen und Freundlichkeit. Alles andere können wir ihnen beibringen.“

Und wie sieht es in der nahen Zukunft aus? Was passiert im Herbst und im Winter? Wird er nach der 2G-Regel verfahren, also nur Genesene und Geimpfte als Gäste begrüßen? „Das fühlt sich erst mal großartig an. Das klingt verlockend, drinnen zu sitzen und sich sicher zu fühlen.“ Aber Kartenberg behält einen kühlen Kopf. Was nützt ihm die ganze Freiheit, wenn er nicht mehr als 30 Gäste im Restaurant bewirten kann, da ihm das Personal fehlt. „Normalität – das wäre schön, aber dieser Winter ist noch nicht der richtige Zeitpunkt!“ (emh)

Eins 44
Elbestraße 28/29, Neukölln, www.eins44.com

Irma La Douce
Potsdamer Straße 102, Tiergarten, www.irmaladouce.de

The Good Taste
www.the-good-taste.de

Vividsoil
www.vividsoil.com